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"Wenn die Wahrheit ankommen will,
dann nimmt sie eine Geschichte auf die Reise mit!"

© Walburga Kliem


(23.09.2019) Fast 15 Monate ohne eine Plauderei hier? Das ist ja sträflich! Nun, dann werde ich Euch mal von meiner letzten Arbeitswoche erzählen ... ganz schön anstrengend war es. Als Künstlerin bin ich es gar nicht mehr gewohnt gewesen, jeden Wochentag um 06:00 Uhr aufzustehen, um dann nach Frankfurt zu fahren, um erst um 17:30 Uhr wieder zu Hause zu sein. Allein schon die Frage: Fahre ich mit dem Auto bis in die Stadt oder nehme ich die U-Bahn. Ich habe mich dann für die umweltfreundliche Variante entschieden und stellte mein Auto wirklich in Oberursel ab (bis dahin bin ich ja auf mein Auto angewiesen). Und ich muss sagen, es war entspannt und hat gar nicht weh getan.

Also nun zur Überschrift dieses Beitrages:
Das war das Eröffnungsbild in dem Weiterbildungs-Kurs, den ich in der letzten Woche besuchte. Schon im zeitigen Frühjahr hatte ich mich dafür angemeldet, denn die Plätze waren sehr begehrt (Der Veranstalter hat schließlich sogar zwei Seminargruppen daraus gemacht, die parallel stattfanden). Mich hatte die Lust gepackt, einen Einblick in die Welt der Gebärdensprache zu bekommen, nachdem mir zum einen angekündigt wurde, dass einer meiner Auftritte durch eine Gebärdendolmetscherin übersetzt werden sollte und zum anderen, als ich einen Fernsehbericht sah, in dem auch der Kölner Karnevalszug immer mehr auch für Gehörlose zu einem Erlebnis wird, da eine Frau dort sogar die Musik sichtbar macht.

Es war ein besonderes Erlebnis für mich und es war wirklich kein Spaziergang ... 40 Stunden ... 5 Tage jeweils von 9 - 16 Uhr ... voll konzentriert auf die Augen (Ich habe das am ersten Tag in einem starken Augentränen und -brennen gemerkt). Aber ganz ehrlich: Unsere gehörlose Dozentin Dora Nickel war auch ein besonderer Magnet. Ihre ganze Erscheinung zog die Aufmerksamkeit förmlich an. Die gebürtige Bulgarin erzählte uns übrigens, dass ihr Vorname eigentlich "Todorka" lautet. Das hat mich interessiert und ich habe recherchiert. Todorka ist der Name eines Berges im Piringebirge. Er besteht aus Granit. Es gibt zwei Legenden über den Namen des Gipfels. Der erste erzählt von der tapferen Frau mit Namen Todorka, die während der bulgarisch-osmanischen Kriege Festung gegen die Türken verteidigte. Sie starb, als sie auf dem Gipfel in einen Abgrund sprang. Der zweiten Legende nach gelang es einem einheimischen Mädchen namens Todorka nicht, ihren Vater davon zu überzeugen, mit ihrem geliebten Vasil zu heiraten. Sie lief von zu Hause weg, erreichte den Gipfel und fing an zu weinen, woraus die beiden Seen Todorini Ochi entstanden. Vasil suchte vergebens nach ihr und erreichte schließlich den nahe gelegenen Gipfel Vasilashki Chukar und warf sich verzweifelt in den See (einen der Vasilashki-Seen). Der Name Todorka bedeutet so viel wie "göttliches Geschenk" und das ist sie wirklich! Dora führte mir persönlich vor Augen, wie viel wir Erzählkünstler von Gehörlosen lernen können. Ihre Körperhaltung, Körperspannung, Mimik, Gestik und die spürbare Leidenschaft sind einfach perfekt. Sie ist eine ganz besondere stille Heldin für mich!

Was gehörte zum Kursinhalt:
- Einführung in die Lebensweise, Kultur und Geschichte der Gehörlosengemeinschaft
- Finger-Alphabet
- grundlegende Vokabeln (Anrede und Begrüßung, Gebärden für Zahlen, Wochentage, Monate, Jahreszeiten, Farben...)
- Einführung in die (ungewohnte) Grammatik
- erste einfache Satzübungen mit Adjektiven und Adverbien
- Einfache Dialoge in Alltagssituationen 

Wusstet Ihr z. B., dass ...

... die Gebärde, die wir auf dem Foto zeigen, auch in der Welt der Hörenden ein Zeichen für Verbundenheit ist. Es ist die Verknüpfung der Buchstaben I, L und Y und steht für "I love you".

... offiziell von "Gehörlosen" gesprochen wird, aber viele sich selbst lieber als "Taube" bezeichnen, weil sie nicht als Menschen gesehen möchten, die einen Mangel haben ("gehörLOS"). Andererseits bevorzugen vor allem Ältere eher die offizielle Bezeichnung, weil "Bist Du taub?" oft als negativer Vorwurf verwendet wird. Taube sehen sich nicht als Menschen mit Behinderung, sondern als eine sprachliche und kulturelle Minderheit

... viele hörende Menschen oftmals mit völlig ausdrucksloser Mimik sprechen (was eine Teilnehmerin, die im Polizeidienst arbeitet, als Erkenntnis äußerte ... und das nicht nur, wenn es um dienstliche Kommunikation geht). Die Gebärdensprache ist jedoch nicht nur visuell stark, sondern bringt eben auch viel stärker Gedanken, Gefühle, Meinungen zum Ausdruck. Sie gibt den Menschen ihre Identität. (Ich habe für mich festgestellt, dass ich vielleicht deshalb oftmals wie ein "offenes Buch" erscheine, weil ich schon immer auf meine natürliche Anwendung von Mimik und Gestik vertraue)

... Ihr einige der Gebärden aus dem Alltag von uns Hörenden schon kennt, z. B. die für "Zeigen", "Beispiel", "fertig" ... vielleicht auch "Pause" und "Was?" - Beobachtet mal professionelle Redner! Außerdem gibt es sehr viele natürliche Gebärden wie "bauen", "schneiden", "screiben", "schlagen", "waschen", "klopfen", "schieben"

... die Deutsche Gebärdensprache erst seit 2002 offiziell anerkannt ist, obwohl sich die Gebärdensprache allgemein bereits seit 1760 zu einer hohen kulturellen und wertvollen Sprache entwickelte. Allerdings gab es auch immer wieder "Gegenströmungen", die davon überzeugt waren und es auch in ihren Handlungen umsetzten, dass Gehörlose unbedingt die Lautsprache erlernen sollen und die Gebärdensprache dies negativ beeinflusst. 1880 wurde auf dem "Mailänder Kongress" (an dem 255 Gehörlosenlehrer teilnahmen, aber darunter nur 2 (!!!) taube Gehörlosenlehrer) die Einführung der rein-oralen Methode beschlossen. Damit durfte in den Gehörlosenschulen KEINE Gebärdensprache mehr verwendet werden.

... Gehörlose nicht "taubstumm" sind, sie haben eine Stimme. Jedoch können sie nicht kontrollieren und ihre Aussprache nicht verbessern. Deshalb führt die reine Lautsprache auch eher zur Ausgrenzung. Sie werden oft als "geistig behindert" angesehen, was sie aber gar nicht sind. 

... dass es spezielle "Olympische Spiele" für Gehörlose gibt (Sommerspiele seit 1924, Winterspiele seit 1949), die "Deaflympics". 

... die Gebärdensprache wie die "Kurzschrift" bestimmte Sätze in einer Gebärde verkürzt. Dadurch ist es eine sehr effektive Sprache. 
(Deshalb ist ein Gebärdendolmetscher meist eher fertig mit dem Reden als der Sprecher, der etwas noch detailliert schildert)

... in der Gehörlosenkultur die Gebärde "wie immer" sowohl verwendet wird, wenn sich die Sprecher gut oder auch schlecht gleichbleibend zur Vergangenheit fühlen. Wir Hörenden verwenden den Ausdruck jedoch fast ausschließlich, wenn es sich um eine gleichbleibend schlechte Gefühlsstimmung handelt.

... unter Gehörlosen eine besonders große und wichtige Community besteht ... also ein inneres Bedürfnis an Austausch von Informationen. Zitat: "Die Informationsübertragung ist schneller als jedes Klatschblatt"!

Gerne nehme ich mir das als positives Beispiel!

Und noch eine Erkenntnis aus dem Seminar:
In der Gebärdensprache werden äußerliche Merkmale zur Beschreibung einer Person verwendet, wenn der Name nach dem Kennenlernen entfallen ist. Dann spricht man eben von der "Frau mit den Mandelaugen" oder von dem "Mann mit der Glatze" oder von dem "dicken Kind". In der Sprache der Hörenden werden solche Beschreibungen eher nicht verwendet (es sei denn, man möchte jemanden wirklich beleidigen), weil es als unhöflich angesehen wird. So ist es auch normal, dass in der Gehörlosen-Kultur Menschen einen Namen in Gebärdensprache bekommen, nach denen sie erkannt werden. Dann braucht man auch den Namen nicht im Fingeralphabet buchstabieren. Der Name hat seinen Hintergrund oft in äußerlichen Merkmalen oder im Charakter. Mit dem Zertifikat bekam auch ich meinen offiziellen Namen in Gebärdensprache. Ihr könnt sehen, wenn Ihr auf den Link klickt.

Die Hand auf die Brust heißt "Mein", das Streicheln über die Wange heißt "Name". Das Wort "ist" wird in der Gebärdensprache nicht verwendet und dann folgt meine Namensgebärde mit Mundbild. Was meint Ihr, warum ich gerade diese Gebärde bekommen habe?


(27.06.2018) Lange habe ich hier nichts mehr geschrieben. Nun gibt es einige wunderschöne Bilder von einer gestrigen Veranstaltung, die ich Euch gerne zeigen möchte und dahinter verbirgt sich auch eine besondere Geschichte:

Vor einem halben Jahr hatte ich eine Knie-Operation. Die Weitwanderungen mit Gepäck haben den Gelenken ganz schön zugesetzt. Hinzu kam, dass ich auf der Wanderung im letzten Jahr auf das linke Knie gestürzt war. Es musste also eine Teilprothese eingesetzt werden. Damit verbunden war natürlich eine monatelange Therapie und Wanderpause. Das Laufen bergab fällt mir heute noch sehr schwer. Aber für gestern hatte meine Freundin Bianca von "taunusreich" eine "Heidelbeer-Tour" im Feldberg-Gebiet angekündigt und ich wollte unbedingt ein Stück mit gehen. Schließlich habe ich Bianca auch schon so lange nicht gesehen und wir hatten in den letzten zwei Jahren einige gemeinsame Touren, die wunderschön waren.

Also entschloss ich mich in Absprache mit ihr, die Gruppe an einem schönen Punkt - dem Feldberg-Born - zu überraschen und ihnen eine Geschichte zu erzählen. Natürlich sollte es mit Heidelbeeren zu tun haben und am Tag vorher fand ich auch das dazu passende Märchen: "Der Heidelbeer-Zweig" aus dem italienischen Pentamerone. Wie gut, dass ich meine Erzählungen nicht auswendig lerne! So ließ ich mir die kurze Inhaltsangabe in den 24 Stunden davor einfach mal durch den Kopf gehen und entwickelte meinen eigenen "roten Faden" anhand dessen ich dann live und ganz spontan meine Version des Märchens erzählte.

Einen Video-Ausschnitt könnt Ihr hier sehen: "Walburga - Erzählkunst am Feldberg-Born"






Am 14.03.2017 war ich mit einem Freund bei strahlendem Sonnenschein unterwegs zum Altkönig und zur "Weißen Mauer". Er hatte mir anboten, ein Video von mir zu drehen und da ich mich in der Natur sehr viel freier fühle, er den Altkönig noch nicht kannte und es so eine sagenhafte Kulisse ist, machten wir uns auf den Weg. Einige Impressionen findet Ihr nun hier (Fotos von Hjal Vindur Erwinson)











"Die kluge Bauerntochter"

Pop-Up-Buch ARTIA-Verlag Prag

Zu Weihnachten habe ich mir selbst einige Märchenschätze geschenkt. Bücher aus dem ARTIA-Verlag Prag, teilweise über 30 Jahre alt ... Märchen aus aller Welt. Und suche begierig nach neuen Geschichten für mein Repertoire. Besonders freue ich mich über das oben im Bild - eines meiner Lieblingsmärchen.

"... Als Aladdin seine Frau Badre el Budur befreit hatte, erzählte Aladdin ihr, wie er damals die Wunderlampe gefunden hatte. Er beschrieb ihr den zauber- haften Garten, an dessen Bäumen Blätter aus Smaragden und Turmalinen und Früchte aus Rubinen, Saphiren, Amathysten und Diamanten wuchsen.

Badre el Budur webte dazu einen Teppich der diese Herrlichkeit für alle Zeiten festhielt."

Der Kreativ-Wochenkalender war ein Weihnachtsgeschenk meiner Tochter. Jede Woche ein Ausmalbild, das an Märchen erinnert. Manchmal kommen mir diese Gedanken beim Malen - genauso wie in diesem Fall.

Am 11./12. Februar 2017 stellt sich die "Hochzeitskooperative" wieder in der Goldschmiede "Formvoll" Niederolm vor. In Vorbereitung auf diese Veranstaltung hat mich spontan die (sonst er in mir schlummernde) Bastel-Kreativität gepackt. Aus einem Marmeladenglas entstand ein festliches Windlicht.

Glas mit Bastelkleber einpinseln und mit Zellstofftaschentuch bekleben. Es darf ruhig ungleichmäßig ("frostig") aussehen. Zwei Tischdeko-Herzchen aufgeklebt und den Rand mit einer Wachsperlenkette verziert ... sieht auch sicherlich sehr schön als Blumenvase auf dem Hochzeitstisch aus.

Hier entsteht ein Tuch für die Schneefrau "Yuki-Onna" ... eine Gestalt aus der japanischen Märchen-Mythologie. Wolle: Yak mit Seide, verziert mit weißen Wachsperlen.


Fast wie auf diesem alten Gemälde von Anders Zorn (schwedischer Maler) hat es ausgesehen  am 23./24. September in Treisberg. Die „Alte Schule“ wurde Backstube umfunktioniert, die Kunst des traditionellen Brotbackens in einem „Workshop“ (wie es in heutiger Zeit heißt) an interessierte Dorfbewohner weitergegeben.

Den „Hefeling“ (trockener Sauerteig vom letzten Backen) hatten die Profis schon am Morgen in der gut geheizten „Stubb“ angesetzt, er blubberte in ca. 6 Litern Wasser in einem Eimer. 25 kg Roggenmehl lagen bereit und wurden in dem hölzernen Backtrog auf einer Seite ausgeschüttet. Und dann brauchte es mehrere Helfer. Während ich also einen Sieb-Durchschlag hielt, durch den jemand den Hefe-Ansatz goss, verteilte und vermengte mein Mann die durchlaufende Masse immer wieder mit einem Teil des Mehls. Sorgfältig zerdrückte er zwischendurch die größeren Hefestückchen, die in dem Sieb hängenblieben. Sie sollten ja nicht als Klumpen im späteren Brot zu finden sein. Mit ein wenig Wasser wurde zwischendurch und zum Schluss die Ansatzmasse noch in eine leicht flüssige Konsistenz gebracht und schließlich mit einigen Händen voll Mehl bestäubt. Abgedeckt musste nun dieser Vorteig bis zum nächsten Morgen gehen.

„Ach gib mir etwas zu essen, ich bin so hungrig!“ – Diese Bitte ertönt in vielen Märchen. Und fast immer bezieht sich die Antwort auf das Brot, wenn auch in unterschiedlichen Reaktionen der Protagonisten. Die einen wehren ab, der „Dummling“ teilt sein „Aschebrot“ mit dem Mütterchen oder dem Alten und manch einer sagt auch: „Nimms hin! Gott segne es dir!“ Brot als Wegzehrung kommt sehr häufig vor und es ist oft das letzte, was jemand hat. Ist es gegessen oder nicht mehr da, droht der Hungertod. Brotbacken war eigentlich immer eine weibliche Kunst, doch bei uns kneteten fleißig die jungen Männer.

Jetzt wurde also der Hefeansatz zusammen mit dem Mehl, Wasser und 7 Händen voll Salz verknetet. „Macht nicht so viel Salz dran, der Schweiß salzt auch noch!“ hörte ich jemanden scherzhaft rufen. Natürlich kann man die Zutaten auch abwiegen oder abmessen. Mit der Zeit weiß allerdings eine gute Bäckerin oder ein guter Bäcker, welche Konsistenz der Teig haben sollte und wann es richtig ist. Schließlich ist auch nicht jedes Mehl gleich, weil das Korn nie gleich ist. Und was den Salzgehalt betrifft, da hilft auch eine Geschmacksprobe.

Für den Verlauf der Garzeit hat übrigens auch jede Familie ihre eigene Art: Die eine gibt den fertig gekneteten Teig sofort in die mit Tüchern ausgelegten Gärkörbchen. Die anderen lassen ihn erst einmal im Backtrog gehen. Den Vorteil der letzten Variante erklärte Gerhard Hodel so: „Manchmal schwitzt der Teig übermäßig. Dann muss vor dem Formen noch Mehl untergeknetet werden, damit die Laiber nicht beim Backen breit laufen. Es ist schon passiert, dass wir einmal alles Mehl noch im Dorf zusammenkratzen mussten, so sehr hat der Teig Wasser auf der Oberfläche gebildet.“

Während der Garzeit muss man jedoch nicht einfach die Hände in den Schoß legen. Zum einen wird der Ofen angezündet. Zum anderen hieß es: Äpfel schälen, Zwetschen entsteinen und Quarkmasse bereiten für den Brotkuchen … der bekanntlich das Beste ist am Brotbacken. Und da die September-Sonne es sehr gut mit uns meinte, setzte ich mich draußen vor die „Alte Schule“ auf die Bank und erzählte beim Äpfel-Schälen den beiden 7jährigen Mädchen (die mit ihrer Oma dabei waren) ein Märchen, das mir ganz spontan eingefallen war, als ich die Männer beim Teigkneten beobachtete.

Da ging es nämlich um eine arme Witwe mit vielen Kindern, die nur eine einzige Arbeit für sich finden konnte und das war, für eine reiche Nachbarin den Brotteig zu kneten. Diese Arbeit mochte die feine Frau wohl nicht … zu schwer, zu schmutzig. Wenn nun die arme Frau den Brotteig geknetet hatte, dann klebte der ja an den Händen und den Armen.

So ging die arme Frau nach Hause. Dort nahm sie einen Topf mit sauberem Wasser und wusch sich den Brotteig fein säuberlich und gewissenhaft ab. Und mit dem in dem Wasser gelösten Teig kochte sie für ihre Kinder immer eine köstliche Brotsuppe.

Damit machte sie die Kinder so satt, dass sie stets gesund und rotbäckig aussahen … viel gesünder als
die Kinder der reichen Nachbarin. Und die wurde natürlich nachdenklich und ging der Sache auf den Grund. Und so kam es natürlich so, dass die arme
Frau schließlich nicht mehr mit den Händen voller Teig
gehen durfte. Sie musste sich vorher waschen …
Und was dann geschah? Nun, das ist eine lange Geschichte!

Als dann der Teig gut aufgegangen war, ging es an das Formen der Laiber. Dann hieß es warten … bis der Ofen durchgebrannt,  die Glutreste ausgefegt  und die Teiglinge noch einmal gegangen sein würden. Übrigens, auch für die Einschätzung der richtigen Temperatur des Ofens wurde früher kein Thermometer benutzt. Man legte eine Kornähre in den Ofen. Wurde sie nur braun, war die Temperatur richtig – brannte sie, war es zu heiß!

Dann war es Zeit zum „Einschießen“. Die Körbchen wurden in das Backes getragen. Gerhard Hodel stand mit dem Schieber bereit, auf den nacheinander die Teiglinge gekippt und mit frischem Wasser überpinselt wurden. Mit geübten Schwung brachte Gerhard alle Brote in die richtige Position. Und die Bleche mit dem Brotkuchen passten auch noch hinein. Nach ca. 15 Minuten hatte sich eine schöne Kruste gebildet. Zeit, die Brote noch einmal mit Wasser zu „frischen“. Inzwischen duftete es im Backhaus auch schon köstlich … was auch einige neugierige Wanderer anzog.

Währenddessen wurde in der „Stubb“ der Backtrog gesäubert … alle Teig-Reste fein säuberlich von den Wänden gekratzt und mit dem übrig gebliebenen Mehl vermischt. Das ergibt den neuen „Hefeling“. Er muss richtig gut durchtrocknen, damit er keinen Schimmel bilden kann. Dann kommt er in ein Leinensäckchen, dass mit einer Schnur zugebunden an einem luftigen Ort aufgehängt wird … bis zum nächsten Backtag.  Und ich weiß inzwischen: Das Brot sieht nicht nur lecker aus, es schmeckt auch lecker! Außerdem ist so ein Backtag eine sehr gute Gelegenheit für den Dorfklatsch und –tratsch … und zum Geschichtenerzählen!

(Veröffentlicht im "Treisberger Blatt" - Zeitschrift des Heimatvereins ... hier leicht gekürzt)


(07.07.2016) Es gibt zwei Dinge, die mich als Erzählerin total aus meinem Konzept bringen können. Nein, es sind nicht der "Zappelphillipp" oder die "Traumsuse" unter den Kindern, die scheinbar ganz was anderes tun als Zuhören. Es sind auch nicht die Eltern, die nervös versuchen, ihre Spößlinge dazu anhalten, ruhig zu sein ... schließlich sollen sie ja etwas lernen aus den Geschichten. ;-)

Es sind auch nur ganz, ganz selten die kritischen erwachsenen Zuhörer, die mir hinterher sagen, dass ich mich doch im Erzählen nicht an die Originale oder geschichtliche, pädagogische, therapeutische oder andere methodische Grundsätze halte. Was mich wirklich innerlich völlig blockieren kann? Zum einen eine genaue Zeitbegrenzung für meine Erzählung ... und zum anderen eine Video-Kamera, die direkt und ausschließlich auf mich gerichtet ist ... schlimmstenfalls 15 cm vor meinem Gesicht!

Beides zusammen hatte ich am vergangenen Wochenende. Für die Imagekampagne des Erzählerverbandes werden Einzelinterviews geführt. Die erste Frage: "Warum erzählst Du?" - Am besten erzähle ich das mit einer kleinen Geschichte, denke ich mir ... Ich habe da eine wunderschöne im Kopf, die ich gerade in einer der Workshops gehört habe. Und damit will ich anfangen. Doch da kommt der erste Einwurf: "...Und denk daran, Du hast nicht viel Zeit! Bring es auf den Punkt! Ich habe nicht viel Platz auf dem Band ..."

Da war es wieder - mein Trauma! Und da ist es auch keine Erleichterung für mich, dass ich die Frau hinter der Kamera gut kenne, dass sie mir sehr sympathisch ist und ich ihr in jeder anderen Situation vertrauen würde ... dass sie mich ermuntert, sie als mein Publikum zu betrachten und ihr zu erzählen. Warum geht es nicht? Nun, mir wird in diesem Moment klar ... ich spüre es innerlich, dass das eben keine Erzählsituation ist, in der ich erzählen würde. In diesem Moment hat die Frau hinter der Kamera nur ein Ziel: Sie möchte ein gutes, werbewirksames "Statement" von mir im Kasten haben! Es ist nicht die Geschichte, auf die sie sich einlassen möchte ... und auch nicht kann in dieser Situation.

Mein Hals ist zu, mein Kopf ist leer, kein Wort möchte mehr den Zaun meiner Zähne verlassen ... denn wenn ich erzähle, dann WILL ich damit meinen Zuhörern ein GESCHENK machen ... nicht, um zu verkaufen! Wenn ich von Herzen geben kann, dann bin ich ganz in meinem Element! Dann schwimme ich in Geschichten wie der kleine Fisch im Wasser und sie wollen einfach von mir erzählt werden!

Und dann gibt es keine Frage mehr nach dem "Warum?"


(23.06.2016)
Bei einem Waldspaziergang habe ich diese Woche mal eine der ältesten Erzählungen aus meinem Repertoire in ein neues Gewand gekleidet. Normalerweise ist der Held ja ein Knappe auf der Burg Reifenberg. Doch in die Gegenwart verlegt, wirkt sie - besonders durch autobiografische Details - sehr glaubhaft. Link zum Video: "Vom Wert des Armreifes"


(25.05.2016) Rede der Brauteltern auf der Hochzeit unserer Tochter Franziska mit Sven Stratmann:

Im Volksglauben waren die Erdbeeren von jeher Symbol der Verlockung und Sinnlichkeit.
Die Pflanzen blühen und fruchten zur gleichen Zeit.

Ihre weißen Blüten gelten als Zeichen der Unschuld, Demut, bescheidenen Schönheit, die roten Früchte als Farbe der Liebe und galten im Mittelalter als Symbol jungfräulicher Mutterschaft.

In der Kunst deuten Erdbeeren außerdem auf den rechtschaffenen Menschen, dessen Frucht die guten Werke sind.

In England sind die Blätter der Erdbeere ein Zeichen von Rang.
Die Herzogskronen sind m
it acht Erdbeer-Blättern geschmückt.  

Neben dem Veilchen wurden sie mit dem dreigeteilten Blatt und der Art, wie die Früchte getragen werden, zu einer Lieblingspflanze der mittelalterlichen Maler. Die Rasenteppiche der Tafelbilder wurden mit Erdbeeren geschmückt, auf denen Maria, Jesus oder einer der zahlreichen Heiligen wandelten.

Im Märchen wird die Heldin von der Stiefmutter in den Wald geschickt, um im tiefsten Winter nach Erdbeeren zu suchen oder sie sind heilende Früchte, die die Kinder für ihre kranke Mutter suchen. Wir möchten Euch heute ein Märchen erzählen ...

Als die Erde noch jung und alles anders war, da lebten nur zwei Menschen, ein Mann und eine Frau. Der Mann ging auf die Jagd, die Frau besorgte das Haus und sie waren glücklich. - Nach einem Jahr trübte sich das Glück und als zwei Jahre vergangen waren verschwand es ganz. Kaum waren drei Jahre vorüber, da nahm der Streit kein Ende mehr. Der Frau gefiel dieses Leben nicht. Sie entschied sich, fort zu gehen und machte sich auf den Weg nach Osten, wo das Sonnenland lag. Am Abend kam der Mann von der Jagd zurück und fand das Haus leer. Er rief nach der Frau und suchte sie, doch vergebens. Ihre Spuren sagten ihm, dass sie sich nach Osten gewandt hatte.

Die Frau wanderte ohne Pause immer weiter, und der Mann folgte ihr und rief ihren Namen. Aber sie hörte es nicht und drehte sich nicht um. Der Mann konnte sie nicht einholen.
Das sah die Sonne am Himmel. Sie blieb stehen und fragte:
„Hast du deine Frau gern, Mann?“ „Ich habe sie gern!“
„Willst du sie wiederhaben?“ „Nichts wünsche ich mir mehr!“
„Wirst du dich auch weiterhin mit deiner Frau streiten?“ „Das soll nie mehr vorkommen!“

„So werde ich Deine Frau anhalten“, sagte die Sonne. Sie blinkte zur Erde hinab und plötzlich reiften schöne Blaubeeren. Aber die Frau achtete nicht darauf und ging weiter. Die Sonne blinkte ein zweites Mal, da standen reife Himbeeren am Wege. Doch die Frau bemerkte sie nicht und ging weiter.

Die Sonne schüttelte den Kopf und blinkte das dritte Mal. Im Gras vor der Frau reiften herrliche rote Beeren. Es waren die ersten Erdbeeren auf der Welt. So schöne Früchte hatte die Frau noch nie gesehen. Sie blieb stehen und bückte sich. Dabei wandte sie das Gesicht rückwärts, und in diesem Augenblick erinnerte sie sich an ihren Mann. Sie setzte sich ins Gras und je länger sie da saß, desto stärker wurde in ihr die Sehnsucht. Da pflückte sie ein Sträußchen Erdbeeren und kehrte um. Auf halbem Weg traf sie ihren Mann. Sie reichte ihm das Erdbeersträußchen und er nahm sie in seine Arme.

So kehrten der Mann und die Frau in die Heimat zurück. Und sie brachten die Erdbeeren mit, die so süß schmeckten wie jede Versöhnung.



(09.04.2016) Im 17. und 18. Jahrhundert gab es in der Oper die Praxis des >Pasticcio<. (ital. Pastete): Angepasst an die Gegebenheiten und Möglichkeiten des aufführenden Hauses stellte man, insbesondere an Provinzbühnen (!), aus vorhandenen Werken eines oder verschiedener Komponisten eine neues zusammen, indem man die aus verschiedenen Opern stammenden Musikstücke mit einer neuen Rahmenerzählung verband. Mozart selbst hat zu solchen Pasticcio-Aufführungen Kompositionsaufträge für einzelne, neue Arien erhalten.

Das "Trio Cantastique" und ich griffen diese Tradition auf (auch wenn wir leider keinen Mozart neu beauftragen konnten): Esther Groh (Sopran) und Tatjana Moor-Freber (Mezzosopran) schlüpften in verschiedene Gesangs-Rollen, Harald Teutenberg übernahm am Klavier die Funktion des Orchesters und ich nahm das Publikum erzählerisch auf eine höchst ungewöhnliche musikalische Kreuzfahrt mit. An Bord fanden und verloren sich Paare für immer oder fünf Minuten, dazwischen gab es großes Drama, kleine Eifersüchteleien, überraschende Wendungen und zum Schluss auch ein bisschen Zickenkrieg.

Dabei war dieser gemeinsame Auftritt rein zufällig zustande gekommen. Esther Groh sprach mich eine Woche vorher an, da ihre Moderation für den Abend ausgefallen war. So erklärte ich mich bereit, diesen Part in dem Benefiz-Konzert zu übernehmen. Alle Einnahmen gingen als Spende an die DKMS sowie an die Hospizgemeinschaft "Arche Noah Hochtaunus" in Niederreifenberg.

Auch die Presse war des Lobes voll: http://www.usinger-anzeiger.de/lokales/schmitten/mit-witz-und-verve-durch-vier-mozart-opern_16798463.htm




Schüler suchen die Nähe von Erleuchteten in der Hoffnung, etwas von deren Weisheit und Meditation übertragen zu bekommen. Eine falsche Hoffnung, wie diese Geschichte zeigt.

Eines Tages kam ein König zu Mahavir, einem weisen Mann. Der König hieß Presenjit und war in jenen Tagen sehr berühmt.

Er fragte Mahavir:
„Gib mir das, was du Meditation nennst, gib es mir!
Ich bin bereit, alles dafür zu zahlen, koste es, was es wolle!“

Der König kannte es nicht anders, als dass man im Leben alles kaufen kann. Doch Mahavir antwortete: „Na so was, warum hast du dir all die Umstände gemacht, um hierher in diesen tiefen Wald zu kommen? In deiner eigenen Hauptstadt gibt es einen Mann, er ist ein Schüler von mir, ein sehr armer Mann, der dir gerne Meditation verkaufen wird. Gehe einfach zu ihm. Ich brauche nicht, was du mir geben kannst und ich bin auch nicht in der Stimmung dafür, dir Meditation zu verkaufen. Kaufe sie dir lieber von diesem armen Menschen. Er wird sie dir wahrscheinlich verkaufen.“

Der König fuhr schnell in seiner Kutsche zu der Hütte des armen Mannes. Die Hütte sah so ärmlich aus, dass er dachte: „Bestimmt wird mir dieser Mann Meditation verkaufen, ich kann das alles hier kaufen, den Mann eingeschlossen.“

Der arme Mann kam aus dem Haus, er war fast nackt. Er war von besonderer Schönheit, mit einem anmutigen Körper und ein großes Licht schien um ihn herum. Der König fühlte das.

'Mahavir hat recht, dieser Mann hat ES! Schau dir nur einmal sein Gesicht an, es leuchtet so!', dachte er. Und so sagte er zu dem Mann:
„Sage mir einfach, was du für deine Meditation haben möchtest. Ich gebe dir was du willst.“
Meditation ist unschätzbar

Der Mann zögerte. Was sollte er dem König antworten?
Der König dachte, er zögere über den Preis und sagte:
„Mache die keine Sorgen, ich zahle jeden Preis.“

Doch die Antwort überraschte ihn:
„Es ist keine Frage des Preises. Ich möchte dich nicht enttäuschen, aber nach was fragst du? Es ist völlig absurd. Meditation ist kein Ding. Es ist überhaupt nichts Objektives. Es ist mir passiert. Mahavir muss sich einen Spaß mit dir erlaubt haben. Selbst wenn du einem Bettler ein ganzes Königreich anbietest, so kann er dir doch nicht seinen Zustand von Meditation verkaufen. Meditation ist unschätzbar. Meditation ist kein Gebrauchsgegenstand. Du musst selbst zu Meditation werden. Du musst bereit sein, Dich zu verwandeln.“

Ihr könnt übrigens für "Meditation" auch "Erzählkunst" einsetzen! :-)


Dies ist eine Geschichte, die mich mein ganzes Leben begleiten wird.
Ich trage sie immer in meinem Herzen, auch wenn ich sie nur zu ganz besonderen Gelegenheiten oder für ein besonderes Publikum erzähle … denn sie ist einem besonders wertvollen Menschen gewidmet und einer großen und wunderbaren Liebe.

Manchmal trifft uns die Liebe eben wie der Wind ... und nicht immer ist es der warme Südwind. Manchmal stürmt sie auch wie der Westwind und verwüstet die Felder. Und manchmal glauben wir, uns im Schneegestöber des Nordwinds zu verlieren ... weil wir nicht zu begehren wagen, was uns nicht zuzustehen scheint … was uns aber bei Tage träumen und bei Nacht schlaflos werden lässt.

In Florenz lebte einst ein junger Edelmann, Federigo Alberighi. Er verstand sich auf ritterliche Übungen genauso wie er in adeligen Sitten bewandert war. Manche Leute schätzten ihn deshalb höher als irgendeinen anderen Mann seines Standes. Und niemand fand es verwunderlich, dass er sich in eine adelige Dame auf das heftigste verliebte: Donna Giovanna. Sie war eine der holdseligsten und schönsten Frauen in Florenz. Und so scheute er keinerlei Aufwand, um sie zu gewinnen. Er richtete Feste aus und ließ ihr Geschenke bringen, er achtete seines Vermögens nicht. Ach würde sie doch nur einmal einem seiner Turniere, Kampfspiele oder Bälle beiwohnen! Doch Donna Giovanna kam nicht, denn Donna Giovanna war verheiratet und ebenso sittsam wie schön.

Wenn er sie des Sonntags in der Kirche sah und die Leute tuschelten: „Schaut mal, Donna Giovanna ... welch herrliches Kleid sie wieder trägt,“ dann antwortete Federigo verzückt: „Es ist nicht das Kleid ... es ist Donna Giovanna!“

Große Summen vertat Federigo und er erwarb nichts. So verfiel er innerhalb kurzer Zeit in solche Armut, dass ihm lediglich ein kleines Landgut blieb ... und ein Falke, von dem es kaum einen Edleren auf der Welt geben konnte. Doch, seine Liebe war nicht abgekühlt, im Gegenteil, sie war noch glühender geworden. Mittellos wie er war, zog er sich auf’s Land zurück und ertrug sein Leid in Geduld und Demut. Mit Fallenstellerei und Falknerei verdiente er sich seinen kargen Lebensunterhalt.

Da geschah es, dass der Gemahl von Donna Giovanna schwer erkrankte und bald darauf verstarb. In seinem Testament hatte er seinen heranwachsenden Buben zum Erben seiner großen Reichtümer ernannt und bis zu dessen Volljährigkeit seine geliebte Frau zur Verwalterin bestimmt. Und wie es unter den hiesigen Frauen üblich war, zog sich auch Donna Giovanna in ihrer Trauer auf’s Land zurück ... auf ein Gut, welches dem von Federigo ziemlich nahe gelegen war.

Ihr Sohn Marco, wurde mit Federigo sehr vertraut. Und besonders liebte Marco den Falken. Er hatte ihn öfter fliegen sehen und es kam ihn ein unbändiges Verlangen, den Falken zu besitzen. Doch er traute sich nicht, Federigo zu fragen, denn er wusste wohl, was er ihm wert war.

Tja, bis eines Tages auch Marco schwer krank wurde. Seine Mutter war den ganzen Tag bei ihm, es betrübte sie unsäglich. Sie versuchte ihm Mut wie Medizin einzuflößen und fragte ihn, ob er denn nicht einen besonderen Wunsch habe.

„Ach Mutter, ich habe nur einen einzigen Wunsch, doch der ist sicherlich nicht erfüllbar.“

„So sag, ich werde Dir alles holen lassen.“

„Ich hätte so gerne Federigos Falken hier neben meinem Bett. Und wenn er mir die Kraft gibt, wieder aufzustehen, dann will ich mit ihm auf’s Feld und ihn fliegen lassen.“

„Wie darf ich Federigo um diesen Falken bitten? Wie ich höre, ist dies der edelste, der je einem Jäger diente. Außerdem gewährt er ihm doch den Lebensunterhalt. Wie könnte ich so rücksichtslos sein?“

Und da war dann auch das Gefühl, dass Federigo sie lange geliebt hatte, ohne von ihr jemals auch nur einen Blick erlangt zu haben. Doch davon sprach sie zu ihrem Sohn nicht. Schließlich siegte die Liebe über die Zweifel, sodass sie zu ihm sagte:

„Ich verspreche Dir, dass ich selbst morgen zu Federigo gehen werde und gewiss bringe ich Dir den Falken.“

So nahm sie am nächsten Morgen eine andere Dame zum Geleit und lustwandelte mit ihr bis zu Federigos kleinem Häuschen. Dieser war schon seit mehreren Tagen nicht ausgegangen und er freute sich über Besuch. Welch Überraschung es ihm allerdings bereitete, als er Donna Giovanna sah, könnt Ihr Euch nicht vorstellen. Er begrüßte sie halb überschwänglich, halb verlegen.

„Verehrter Federigo,“ begann Donna Giovanna. “Ich bin gekommen, um dich für alles Ungemach zu entschädigen, welches du um meinetwillen seit vielen Jahren erduldet hast. Ich weiß, dass Du mich leidenschaftlicher liebtest, als dir dienlich gewesen wäre. Deshalb möchte ich Dir die Entschädigung darin angedeihen lassen, dass ich mit dieser meiner Begleiterin heute vertraulich bei Dir zu Mittag zu essen gedenke."

„Madonna, ich weiß von keinem Ungemach, das mir je durch Euch zuteil geworden wäre. Euer Besuch, den Ihr mir aus freier Güte gewährt, ist mir jedoch unendlich viel mehr wert, als wenn mir die Schätze zurückgegeben worden wären, die ich vor langer Zeit besaß.“ So antworte Federigo und geleitete sie in den Garten ... bat die einzige Bedienstete, die ihm noch geblieben war, schnell ein weißes Tuch auf den Tisch zu legen und mit einigen Blumen zu schmücken. Er selbst wolle gehen und danach schauen, was er der Dame seines Herzens zum Mahle bringen könnte.

Er lief aufgeregt durch sein Haus. Küche und Keller waren so gut wie leer. Wie verwünschte er sein Schicksal, so dürftig zu sein. Doch da fiel ihm im letzten Moment noch etwas ein. Ja, er dachte bei sich, wenn überhaupt, dann wäre das der Dame würdig und angemessen. Und so traf er die wichtigste Vorbereitung und gab er seiner Bediensteten Anweisung, wie sie verfahren sollte.

Mit frohem Gesicht ging er wieder hinaus zu Donna Giovanna. Sie unterhielten sich über dies und das ... über die Nachbarn und über das Wetter. Federigo fragte auch nach Marco, doch Donna Giovanna wollte vor dem Essen nicht über etwas Leidvolles reden und sagte nur, es gehe ihm gut. Und das war ja auch nicht gelogen, denn nachdem der Junge ihr Versprechen vernommen hatte, war es ihm ja besser gegangen.

Als das Essen aufgetragen wurde, bediente Federigo die Gäste mit der größten Sorgfalt. Er freute sich, dass es Donna Giovanna wirklich köstlich zu munden schien. Selbst aß er nur wenig.

Nach einigen weiteren freundlichen Gesprächen überwand Donna Giovanna dann ihr schweres Herz. „Federigo, verzeih mir bitte meine Dreistigkeit, wenn Du vernimmst, warum ich eigentlich hierher gekommen bin. Hättest Du aber Kinder, so würdest Du die Liebe erkennen, die man für sie hegt und Du könntest leicht verstehen ... da Du aber vorhin schon nach Marco gefragt hast, bin ich zuversichtlich, dass Du auch so einer Mutter nachfühlen kannst. Gegen meine Neigung, ja auch gegen Anstand und Pflicht, möchte ich Dich um ein Geschenk zu bitten. Ich weiß, wie teuer es Dir ist. So sieh ... Marco ist schwer krank und in seinem Leid wünscht er sich nichts mehr als Deinen Falken zum Geschenk. So bitte ich Dich, bei der Liebe, die Du für mich hegst, ihm diesen Wunsch zu erfüllen.“

Federigo hatte die Bitte wohl vernommen. Doch derer vielen Worte waren wie murmelndes Wasser an ihm vorbei gelaufen. Starr wie ein Felsen stand er da ... ein verwitterter, müder Felsen. Er wollte ansetzen, zu sprechen, doch die Stimme versagte und er konnte nichts anderes als die Hände vor das Gesicht zu schlagen und bitterlich weinen.

Donna Giovanna wollte schon ihre Bitte zurücknehmen. Doch sie bezwang sich und wartete, bis sich Federigo gefangen hatte und antworten konnte:

„Madonna, seit es Gott gefallen hat, dass ich Euch meine Liebe zuwendete, habe ich oft mein Schicksal verflucht. Dies alles aber war nur gering im Vergleich zu dem, was mir jetzt widerfährt. Als ich vernahm, Ihr wolltet bei mir zu Mittag essen, bot ich all meine Kräfte auf, um für eine wertvolle Speise zu sorgen. Euch wollt ich mit etwas ehren, mit welchem man andere Gäste nicht zu bewirten pflegt. Da sah ich im Esszimmer auf der Stange den Falken ... und ich sah, wie wohlgenährt und edel er sei ... und ich hielt ihn für eine Speise, die Euer würdig wäre. So habt Ihr ihn denn heute Mittag gebraten auf der Schüssel gehabt ...

Nun sehe ich aber, dass Ihr ihn in anderer Weise begehrt ... und mein Schmerz darüber ist so heftig, dass ich glaube, mich niemals mehr davon erholen zu können.“

Als die edle Dame dies alles hörte und sah, tadelte sie ihn anfangs, dass er zur Bewirtung eines Weibes einen so edlen Falken getötet habe. Im Stillen bewunderte sie ihn aber. Warum werdet Ihr fragen? Nun, sie sah, dass selbst die bittere Armut und der Verlust des letzten Schatzes, den er hatte ... der sicherlich auch wie ein guter Freund für ihn war, ihn nicht abzustumpfen vermocht hatte. Die Liebe in ihm ... die Liebe zu ihr war immer noch geblieben.

Doch da ihr nun alle Hoffnung für ihren Sohn genommen war und finstere Befürchtungen in ihr aufstiegen, verabschiedete sie sich höflich, aber schnell und kehrte in ihr Haus zurück. Und es war gerade noch rechtzeitig, denn der Zustand von Marco hatte sich verschlechtert, im Fieber lag er da. Ja, wahrscheinlich hätte er es nicht einmal mehr wahr genommen, wenn sie ihm erzählt hätte, dass er den Falken nicht haben konnte. Er starb noch in der gleichen Nacht.

Es verging eine Zeit der Tränen und der Trauer. Da Donna Giovanna aber noch jung und nun in den Besitz eines glänzenden Vermögens gelangt war, drängten ihre Brüder sie vielfach, eine zweite Ehe einzugehen. Und irgendwann konnte sie sich dessen nicht mehr erwehren: „Am liebsten ließe ich ja meinen Witwenstuhl unverrückt. Aber wenn es denn Euer Wille ist, so werde ich niemanden anders heiraten als Federigo Alberighi.“

„Törichte, was schwatzest du da! Wie kannst du ihn nehmen wollen, der nichts auf dieser Welt hat?“

Als sie jedoch ihren Brüdern erzählte, was sich zugetragen hatte in all den Jahren, da sahen auch sie, dass er in seiner Armut ein höchst ehrenwerter Mann war. So stimmten sie der Hochzeit zu. Und so nahm die Geschichte ein gutes Ende …

… für Donna Giovanna und Federigo di Alberigi.

Wir können vieles verlieren, wenn wir lieben ... weil wir lieben ... und obwohl wir lieben. Auch wenn die Geschichten nicht immer gut auszugehen scheinen:

Hoffnung ist nicht der Glaube daran,
dass etwas gut ausgeht,
sondern die Gewissheit …,
dass alles gut und richtig ist …,
egal wie es ausgeht …

Am Ende ist alles gut … und wenn es nicht gut ist, dann ist es noch nicht das Ende.

(nach einer Geschichte aus dem "Decamerone")


(07.01.2016) Diese Geschichte ist wirklich genauso geschehen. Ich habe sie schon oft mündlich erzählt ... ich habe sie allerdings noch niemals schriftlich veröffentlicht. Doch nun scheint mir genau der richtige Zeitpunkt dafür.

Im Jahr 2009 war die „Oberurseler Feyerey“ meine erste große Veranstaltung als Erzählkünstlerin. Ich war sehr glücklich, dass es mir kurz vorher gelungen war, ein gebrauchtes Zelt zu ersteigern. Endlich konnte ich auch in einem Mittelalterlager übernachten. Nachdem das Zelt mit Hilfe meines Mannes und meines Sohnes aufgebaut war, hatte ich „Dienst“ an der Vogtei. Es war die „1. Oberurseler Feyerey“ und wie jedes Mitglied der „Ursellis Historica“ (Veranstalter) beteiligte ich mich auch als Helferin an der Organisation.

An der Vogtei erhalten die Händler und Lagernden alle Unterstützung, die sie beim Aufbau und zur Orientierung brauchen. Lagerplätze wurden zugewiesen, Formalitäten beschrieben und Abläufe erklärt. Vor der Vogtei spielten kleine „Ritter“ … zwei Jungen von Teilnehmern.

Plötzlich kam einer der beiden – etwa 8 Jahre alt – mit Tränen in den Augen zu uns: „Mein Bruder hat mir mein Schwert geklaut!“. So antwortete ich ihm: „Dann schick mal Deinen Bruder hierher … hier zur Vogtei!“ Ich dachte mir, dass den „Täter“ diese förmliche Anweisung sicherlich schon beeindrucken würde.

So stand denn auch kurz darauf ein etwa 6jähriger Bursche vor mir: „Ich soll mich hier melden!“ Ich sah ihn ernst an und fragte jedoch mit freundlichem Ton: „Wie heißt Du denn?“ Er antwortete: „Felix.“

„Das ist ein schöner Name. Felix heißt ‚der Glückliche‘. Aber was Du mit Deinem Bruder gemacht hast, ist nicht so glücklich …“

Nun sprudelte der Kleine heraus, dass sein Bruder ja dies und das getan hätte. Wie das so ist unter Geschwistern. Ich ließ ihn ausreden und dann fügte ich hinzu:

„Weißt Du, Felix, dass ein Schwert im Mittelalter etwas ganz Wertvolles war. Nicht jeder konnte sich eines leisten. Es hat so viel gekostet wie … 3 Kühe zum Beispiel. Und ein Ritter hat das Schwert in Ehren gehalten, es an seinen Sohn weiter gegeben. Manche haben den Schwertern sogar Namen gegeben. Und das Schwert eines anderen nur anzufassen, war ein großes Vergehen. Ein Schwert zu stehlen, wurde sogar mit dem Tode bestraft.“

Da sah mich Felix aus seinen blauen Augen über seine Brille ganz fest an und antwortete: „Du hast keine Ahnung … Du bist eine Frau!“

Neben mir lachte Rebecca, die mit mir Dienst hatte … und ich musste mir das Schmunzeln verkneifen. „Dann muss ich Dir noch etwas erzählen, lieber Felix. Wusstest Du, dass die Ritter im Mittelalter nicht nur gekämpft haben. Sie hatten bestimmte Aufgaben. Sie mussten die Schwachen beschützen … eine Burg war ein wichtiger Zufluchtsort, wenn Feinde kamen. Sie mussten die Armen versorgen und … sie mussten die Frauen ehren!“

Da sagte Felix gar nichts mehr, sondern lief weg. Und ich machte mir darüber keine großen Gedanken mehr.

Doch als ich nach meinem „Dienst“ zu meinem Zelt zurückkehrte, um dort die Inneneinrichtung vorzunehmen: Teppiche ausbreiten, mein Bett aufbauen, Decken und Kissen verteilen, meine Erzählkiste aufstellen … da stand plötzlich Felix am Eingang. In der Hand hatte er einen Bleistift, der mit einem Harlekin-Kopf, der kleine Glöckchen hatte, verziert war. Er hielt ihn mir hin und meinte: „Das schenke ich Dir!“ Ich erkannte es sofort als ein Friedensangebot und bedankte mich fröhlich: „Oh, das ist aber schön! Das lege ich hier auf meine Geschichtentruhe und dann kann ich damit zum Erzählen läuten.“

„Darf ich noch ein bisschen hier bleiben?“ fragte der Kleine.
„Aber natürlich darfst Du!“ Und Felix legte sich zwischen die Kissen, schaute sich um und dann sagte er: „Gemütlich hast Du es hier! Schläfst Du auch hier?“
„Natürlich … schau, hier ist mein Bett. Ich bin das ganze Wochenende hier und wann immer Du von mir etwas erzählt haben möchtest, kannst Du kommen und zuhören.“
„Und wo sind Dein Mann und Dein Kind?

Felix (der wie ich nun mitbekommen hatte, der Sohn eines Händlers war) hatte wohl gesehen, wie die beiden mir beim Aufbau geholfen hatten. Ich erklärte ihm, dass meine „Männer“ nicht viel von Mittelalter halten, dass sie wieder nach Hause gefahren sind und erst am Sonntag beim Abbau wieder da sein werden.

„Dann bist Du ja ganz alleine! Dann brauchst Du ja einen Beschützer! Ich will Dein Ritter sein!“

Und genauso geschah es auch. Als am nächsten Tag der Markt begann, begleitete mich Felix nicht nur beim Umzug mit Helm und Schwert. Er wich mir praktisch nicht mehr von der Seite, er lauschte meinen Geschichten und es stellte sich heraus, dass er ein sehr talentierter kleiner Erzähler ist. Einmal gehört, konnte er alles sofort weiter erzählen. Von seinen Eltern und Großeltern habe ich später erfahren, dass sie erst glaubten, er hätte sich das ausgedacht. Bis er meinte: „Die habe ich von der Geschichtenerzählerin Walburga!“

Und den Bleistift mit dem Harlekins-Kopf besitze ich heute noch. Er ist ein besonderes Teil in meinem Geschichten-Koffer.


Eine Weihnachtserzählung, die ich für den Heimatverein Treisberg e. V. in diesem Jahr anlässlich der Weihnachtsfeier erfunden habe. Vorgegeben waren die markierten Begriffe:

Weihnachten steht vor der Tür. Man merkt es – auch wenn das Wetter wenig winterlich ist. Man sieht es an den typischen Begleiterscheinungen.  In den Schaufenstern der Geschäfte ist es ersichtlich:  „Der Bestseller: Wunder einer Winternacht“ – „Deko-Tipp: Weihnachten im Vorratsglas“  - „Lametta ist weg – Eine Weihnachtsgeschichte in 24 Kapiteln“ -„Das absolute Must-Have: Weihnachten mit Helene Fischer“.  Im Radio läuft „Last Christmas“ und die Großhandelsketten überbieten sich gegenseitig mit mal humorigen, mal rührigen und mal unverschämten Weihnachts-Werbespots. „Hauptsache, Ihr habt Spaß!“ – Und wer ihn nicht hat, ist wohl ein Esel.


Hoch  oben am Himmel aber leuchtet der Weihnachtsstern. Von der Erde aus ist er für die Menschen eigentlich nur erkennbar, wenn man direkt am Wald wohnt, so wie wir hier im Dorf. In der Stadt sind die Lichter viel zu hell. Aber wie es wirklich dort oben aussieht, das wissen wir nicht. Wir können es uns nur in unserer Phantasie vorstellen ... Dort oben zwischen all den Sternen fliegen die Engel mit ihren zarten glitzernden Flügeln umher. Sie fliegen schnell durch die Wolken und doch sieht es so aus, als wenn sie wie auf leisen Sohlen über einen dicken flauschigen Teppich huschen. Die Wolken scheinen zu sich zu kugeln vor Lachen bei jedem Schritt eines Engels. Doch wir können ihr Kichern nicht hören.

Die Engel achten nicht nur auf all die vielen kleinen und großen Sterne, dort oben am Himmelszelt. Ihre Aufgabe ist es auch, unten auf der Erde auf jeden Menschen zu achten. Ihnen nahe zu sein, ihnen kleine Wünsche und Sehnsüchte zu erfüllen.

Wenn nun die Engel die vielen kleinen Wünsche der Menschen erfüllt haben, so hängen sie eine kleine, unsichtbare,  goldene Glocke über die Haustür. Und jedesmal, wenn die Menschen auf der Erde ihre Haustüren öffnen oder schließen, entsteht am Himmel ein neuer kleiner Stern, durch den Klang dieser Glocke. Ein Problem für die Engel ist allerdings, dass viele Menschen immer seltener in der Adventszeit ihre Türen öffnen oder schließen. Kaum ein Kind geht noch hinaus, sie sitzen viel lieber an ihrem Computer. Es hat auch schon viele Jahre nicht mehr geschneit zu Weihnachten, dabei macht es gerade dann besonderen Spaß, Schlitten zu fahren, einen Schneemann zu bauen oder im Winterwald spazieren zu gehen.

Und dabei könnten sie doch auch Ausschau halten nach einem wunderschönen Tannenbaum, für die weihnachtliche Stube. Was natürlich besonderen Spaß macht, sind die vielen Tannenzapfen, die überall zu finden sind. Denn mit ihnen kann audh das Feuer im Kamin entzündet werden. Irgendwie fehlte auf der Welt der Geist der Adventszeit. Die Menschen waren sich ihrer wirklichen Sehnsüchte nicht mehr bewusst. All ihre Gedanken waren nur noch auf den Kauf der Geschenke gerichtet, wenn sie das Haus verließen.
Also schickten die Engel einen aus ihrer Mitte auf die Erde. Und sie gaben ihm eine Harfe mit. Das war nicht etwa ein gewöhnliches Musikinstrument, sondern ein ganz besonderes, denn sie konnte direkt mit den Menschen sprechen. Die Harfe nahm die verborgenen Wünsche, Gedanken, Träume und Sorgen der Menschen auf. Und wenn der Engel mit seinen winterkalten Fingern über die Saiten strich, so spürte ein jeder Mensch in seinem Herzen die Antwort auf seine innere Frage.

Zum Beispiel der  Bäcker wusste plötzlich, dass er seine Tochter anrufen würde, die seit ihrem letzten Streit von 3 Jahren weit entfernt von ihm lebte. Er würde sie und die Kinder einladen und seinen jüngsten Enkel das erste Mal sehen. Er machte sich gleich daran, das köstlichste Weihnachtsgebäck zu zaubern, das man sich vorstellen konnte. Dabei hielt er sich an die alten Rezepte, die schon seine Großeltern immer verwendet hatten. Wie würde seine Tochter sich freuen, wie würden die Erinnerungen an die Kindheit mit dem Geschmack auf der Zunge wieder geweckt werden. Und damit sie alle nach so langer Zeit den Weg zu ihm finden konnten, stellte er eine große rote Kerze ins Fenster. Diese leuchtete weit übers Land, sowie einst der Stern zu Bethlehem.

Freudig erzählte er seinem Postboten von seiner „Eingebung“. Vielleicht würde ihn das auch froh machen, so dachte er sich. Doch dieser fluchte: „In Wirklichkeit wissen nur wir Briefträger, was an Weihnachten zusammengelogen wird. Wissen Sie, was es heißt Zusteller zu sein. Wir gehören doch auch nur zu einer Herde: Schau-Steller, Dar-Steller, Schrift-Steller, Weichen-Steller, Fallen-Steller … Anstatt mir mal so ein Engelchen erschiene, muss ich bloß an die dreimal verfluchte Weihnachtspost denken.  Während die Postkunden die Schleife von ihren Geschenken abziehen, bin ich dem Herzkasperl nahe. Aber beklagen dürfen wir uns nicht …“

Doch dann bemerkten sie plötzlich große Aufregung: Aus dem Opel-Zoo war in der Nacht ein Rentier mit dem Namen „Nikolaus“ entlaufen und hatte sich im Taunus-Wald versteckt.

Einen Tag später stapfte der Förster durch den verschneiten Taunus-Wald. Tief atmete den ihm vertrauten Duft des Waldes tief ein. Doch plötzlich kroch ein neuer Geruch in seine Nase. Er wusste nicht so recht, wo der Duft herkam, aber er erinnerte ihn an etwas. "Was war es doch nur?!" Doch dann fiel es ihm plötzlich wieder ein, so hatte es früher immer gerochen, wenn er seinen finnischen Freund im Winter besuchte. Der Freund hatte ein Rentier-Gehege. Sollte sich hier ein Rentier im Wald versteckt halten? Aber wie war es hier her gekommen?

Da bewegte sich doch etwas! Aber es war nur der Postbote, der gerade auf dem Weg zum Haus des Einsiedlers war. Der Förster fragte ihn, ob ihm vielleicht im Wald ein Rentier begegnet sei. Aber dieser schüttelte nur den Kopf. Doch dann griff er in seine Manteltasche und, ja was war das? Nüsse! Und ein Apfel.
Er warf ein paar Nüsse auf den Weg und verbarg sich mit dem Förster hinter einem Baum.

Sie mussten nicht lange warten, denn Rentiere fressen ja alles Pflanzliche, was sie finden können. Und Nüsse sind zur Winterzeit ungefähr das, was die Weihnachtsgans für die Menschen ist.  Der Förster war ja in der Lage, mit Tieren – und ganz besonders mit Rentieren – in ihrer Sprache zu sprechen. „Warum bist Du denn in den Wald gelaufen?“ wollte er von ihm wissen.

„Ein Engel hat mich geschickt, er trug eine Harfe bei sich und die hat mir etwas zugeflüstert.“

Der Förster bekam große Augen und der Postbote verstand kein Wort, denn er konnte ja die Sprache der Rentiere nicht. Das Rentier aber erzählte weiter: „Die Harfe sang von dem Herzenswunsch eines Bäckers, seine Kinder und Enkel einzuladen. Aber der Postbote hätte etwas getan, dass der Brief nicht mehr rechtzeitig ankommen würde. Und Kinder würden auf ihr Spielzeug warten müssen.  Und wenn ich helfen würde, wäre auch mir geholfen. Ich hätte endlich mal eine richtige Aufgabe. Im Zoo ist doch so langweilig.“

Das konnte der Förster verstehen. Aber nun schaute er erst einmal den Postboten an: „Sag mal, welche Leichen hast Du im Keller versteckt?“

„Ähm … ja, … keine Leichen. Aber einen Nikolaussack. Es war einfach zu viel Post in der letzten Zeit, mehr als ich tragen konnte. Ich war doch teilweise so schlagskaputt am Abend, dass mich hätte eine Schneeflocke umwerfen können.“

„Dann müssen wir uns jetzt aber sputen!“ meinte der Förster. Ich hole meinen Schlitten. Mit dem Rentier davor ist es kein Problem, diese Post noch auszutragen, bevor am Weihnachtsabend die Glocken in der Kirche läuten.



(19.10.2015)
„Wer Gott anruft, braucht Geduld!
Der Teufel kommt sofort.“


Diese alte Volksweisheit bestätigte sich auch einigen interessierten Zuhörern am 16. Oktober 2015 im „Gemaahaus“. Gemeinsam mit meinem geschätzten Erzählerkollegen Chnutz vom Hopfen hatte ich zu „himmlisch schönen und teuflisch guten Geschichten mit anschließendem Nachtwächter-Spaziergang durch das Dorf“ eingeladen.

Chnutz vom Hopfen lernte ich vor einigen Jahren auf einem mittelalterlichen Weihnachtsmarkt kennen. Er ist in der Nähe von Bad Münster-Ebernburg am Stein zu Hause und übt – wie das in alter Zeit üblich war – mehrere Berufe aus: Geschichtenerzähler, Herold, Tanzmeister, Gästeführer … und er ist der „dienstälteste Nachtwächter der Pfalz“. Unsere Erzählkunst hat also ähnliche Facetten und deshalb war es eine beiderseitige Freude, dass wir spontan gemeinsam für die Gäste erzählten … ohne einen Konkurrenzgedanken (was wirklich innerhalb der Erzähler-Gilde nicht selbstverständlich ist).

 In diesem Jahr traf ich ihn in Hamburg auf dem jährlichen Kongreß des „Verbandes der Erzählerinnen und Erzähler“ in Hamburg wieder und er lud mich ein, sein Programm „Ritter, Tod und Zweifel“ auf der  Ebernburg zu besuchen. Es handelt sich dabei um eine Figurenführung für Erwachsene und Jugendliche in Anlehnung an eine Ausstellung des Landesmuseums Mainz. Was zu Zeiten des Ritters Franz von Sickingen auf der Ebernburg und in der Umgebung geschah, wieso die Burg auch "Herberge der Gerechtigkeit" genannt wird, und ob "’s Fränzje" wirklich ein Raubritter war, erzählen Franz, sein Freund Ulrich von Hutten, der Papst, ein Geist und weitere Personen - als Stabpuppen. Geführt und kurzweilig kommentiert werden sie von Chnutz und seinen beiden Mitstreiterinnen. Es hat nicht nur mich, sondern auch meinen Mann begeistert.

Als wir uns nach dieser Veranstaltung unterhielten, kam der Gedanke: „Eigentlich könnten wir ja wieder mal gemeinsam erzählen!“ Und da der Chnutz mich schon immer mal im Taunus besuchen wollte, wurde der Gedanke in die Tat umgesetzt. Und dieses Mal wechselten wir uns nicht nur mit dem jeweiligen Erzählen eigener Geschichten ab. Nein, erstmalig und ganz spontan entschlossen wir uns direkt vor Beginn der Veranstaltung, eine Sage auch wirklich im „Duo“ vorzutragen … und das, obwohl wir jeweils eine andere Version davon kannten. Die Geschichte, die davon erzählt, „warum man den Teufel nicht an die Wand malen soll“, musste ja auch einfach hier auf dem Treisberg passiert sein … die Österreicher, genauer gesagt die Wiener, haben sie sicherlich nur bei uns gehört und geklaut … so sagten wir uns.

„Ich bin nur ein Nachtwächter auf dunklen Straßen.
Ich kenne die Häuser, an denen ich vorübergehe,
aber ich weiß nicht, was in ihnen vorgeht.“

(Leibarzt Ludwig XIV)

Aber selbst die Häuser von Treisberg, die ich Chnutz vor der Veranstaltung noch gezeigt hatte, kannte er gut. Und so war seine Darstellung auf dem abschließenden „Nachtwächter-Rundgang“ durchaus sehr lebendig unserem Dorf angepasst. Am „Backes“ erklärte er, dass es vor allem die Gefahr des Feuers war, die er zu überwachen hatte. Genau deshalb, weil es vor Jahrhunderten eben verboten war, im eigenen Haushalt zu backen, wurden diese Gemeinschaftseinrichtungen geschaffen, die meist etwas abseits von den dicht stehenden Fachwerkhäusern errichtet waren. Dann demonstrierte er auch gleich, dass ein Nachtwächter von „Tuten und Blasen“ Ahnung haben sollte. (Wer hat das Horn an diesem Abend gehört?).  Wenn nun ein Feueralarm ausgerufen wurde, dann mussten alle Männer sofort zu den Löscheimern greifen und alle Frauen hatten Laternen anzuzünden und in die Fenster zu stellen, damit den Hilfskräften der Weg erleuchtet werde.

Die „Alte Schule“  bot dann die richtige Kulisse zu einem Portrait-Foto für die anwesende Presse.  Zur typischen Ausrüstung eines Nachtwächters gehörten eine Hellebarde oder eine ähnliche Stangenwaffe, eine Laterne und ein Horn. Der Nachtwächter gehörte, obwohl er eine wichtige Tätigkeit in der Stadt ausführte, wie zum Beispiel der Abdecker oder der Henker, meist zu den unehrenhaften Berufen und lebte daher in sehr bescheidenen Verhältnissen.

An der Feuerwehr erzählte Chnutz dann noch eine Anekdote von dem Nachtwächter, der des Zählens nicht so mächtig war und dazu immer seine Finger benutzte. Da uns Menschen aber nun einmal nur zehn Finger gegeben sind, es für die 12. Stunde jedoch zwei mehr braucht, nahm er immer seine Liebste mit auf die Tour.

Ja, in alten Zeiten waren die Bürger oftmals froh, wenn sie in der Dunkelheit den Nachtwächter mit seinen klimpernden Schlüsseln hörten. Gerne gingen die Frauen und Männer dann ein Stücklein mit dem gut ausgerüsteten Mann mit, wenn sie doch noch einmal vor die Tür mussten.


(11.10.2015)
Vor mehr als 20 Jahren hat mich ein Kollege sehr beeindruckt, mit seiner Art, "Feedback" zu geben. Ich war damals Ausbildungsleiterin in einem großen Unternehmen und dieser Kollege war einer meiner Ausbilder im Team. Natürlich waren mir persönlich die grundsätzlichen Regeln, Erwartungen und Vorgehensweise bei "Beurteilungsgesprächen" bekannt. Doch irgendetwas an ihm war anders ... wie er auch kleine Details lobte, wie er die Hinweise so verpackte, dass sie als Geschenk angenommen werden konnten.

Auch heute noch denke ich oft daran zurück und ich sehe ihn dann förmlich vor mir. Was war sein besonderes Geheimnis? Nun glaube ich, eine Erklärung gefunden zu haben:

Es ist wohl so, dass er die Präsentationen unserer Auszubildenden NICHT vordergründig mit den zwar wohlwollenden, aber doch pädagogisch-kritischen "Augen des Lehrers" sah. "Man sieht nur mit dem Herzen gut, das Wesentliche ist für die Augen unsichtbar", so heißt es. Ich bin überzeugt, er sah, hörte, fühlte mit dem Herzen ... mit einem Herzen, das von Freude geleitet ist.

Vielleicht inspiriert Euch dieser Gedanke, wenn Ihr mal wieder um ein Feedback gebeten werdet (oder Ihr Euch selbst manchmal zu kritisch gegenübersteht). Vor allem unter Künstlern ist es viel schöner, etwas nur aus Freude heraus zu erleben, zu hören und zu sehen.

Und hier ein Tipp, wie Ihr mit Eurer Hand als "Leitfaden" ein HERZliches Feedback (auch Euch selbst) geben könnt:
DAUMEN hoch! - Was war top oder Spitze!
ZEIGEfinger - Achtung, hier habe ich was gelernt! oder: Welche Stärken kann ich noch ausbauen?
MITTELfinger - Was war nicht so gut ... könnte besser laufen oder weggelassen werden?
RINGfinger - Was an diesem Projekt, dieser Aufgabe oder diesem Werk war verbindend mit anderen Menschen?
KLEINER Finger - Was kam zu kurz? Was hat gefehlt?
HandFLÄCHE - Mein Fazit!


Eine Herbstgeschichte zum Ausdrucken für Euch!

Entstanden ist sie im vorigen Jahr
zu einer Kinderveranstaltung,
als ich mir meinen eigenen Ahornbaum
vor dem Haus so ansah.


(30.09.2015) Gerade komme ich vom Geburtstag meiner Schwester zurück ... aus der Lüneburger Heide ... mit dem Zug. In Hannover steige ich in den ICE nach Frankfurt. Er ist ungewöhnlich voll und die Wagenreihung ist kurz vor der Einfahrt des Zuges noch geändert worden. Also muss ich mich erst einmal zu meinem reservierten Platz durch"kämpfen".

Vor meinem Abteil angekommen, sitzt dort eine Gruppe von 4 Männern (etwa in meinem Alter) und eine einzelne Frau. Einer der Männer auch auf meinem Fensterplatz. Ich grüße und sage, dass der Fensterplatz meiner ist. Im nächsten Moment besinne ich mich aber mit Blick auf den freien Gang-Platz und frage, ob der noch frei ist. Ja, er ist es!

"Ich kann dann auch hier Platz nehmen ... werde doch Ihre traute Männergesellschaft nicht stören!" So sage ich lächelnd. Einer der Männer antwortete: "Wir sind auch Flüchtlinge ... traumatisierte Flüchtlinge!" ... nicht unfreundlich, nicht aggressiv, wie so dahingesagt.

Ich stutze und überlege, was sie zu dieser Aussage veranlasst hat. Fast wäre mir herausgerutscht: "Ich kann Ihnen ja heilsame Geschichten erzählen", aber das verkneife ich mir. Also setze ich mich und höre dem angeregten Gespräch der Vier erst einmal zu. Am Dialekt erkenne ich, sie kommen aus Hamburg. In der Gepäckablage liegen Rucksäcke ... ich bekomme mit, sie sind unterwegs zu einer Wandertour im Odenwald.

Nach einer Weile kommt der Schaffner. Sie reichen ihre Gruppen-Fahrkarte und wieder fällt der Satz: "Wir sind auch Flüchtlinge!" und die Frage, ob die Karte dann auch für die Anschlussverbindungen mit 2 Stunden Verspätungen gilt.

Mir geht der Gedanke durch den Kopf, ob es vielleicht wieder einmal einen "Sonderzug für Flüchtlinge" ab Hamburg gegeben hat und diese Passagiere nun auf einen späteren Zug ausweichen mussten.

Irgendwann kommen wir dann ins Gespräch, denn es sind wirklich freundliche Leute. Und dann erfahre ich den wirklichen Hintergrund:

Ihr ursprünglicher Zug hatte einen "Unfall mit Personenschaden" (wie es wohl offiziell heißt). Jemand hat sich vom Bahnsteig aus vor den durchfahrenden (also dort eigentlich gar nicht haltenden ICE geworfen). Es gab eine Vollbremsung, natürlich große Aufregung (Rufe nach einem Arzt ... die Beobachtung der polizeilichen und seelsorgerischen Maßnahmen dort im Bahnhof ... zwei Stunden Wartezeit auf dem Gleis, bis ein Umsteigen in einen anderen Zug möglich war).

Und so erkläre ich also in dem Gespräch jetzt, dass mir einiges klarer wird ... dass vorher ein ganz anderer Film in meinem Kopf abgelaufen wäre, als ich beim Betreten des Abteils diesen Satz: "Wir sind auch Flüchtlinge" gehört hatte. Ob ich "Blödmänner" o. ä. gedacht habe, kann ich verneinen. Ich habe mir einfach nur die Frage gestellt: Was ist passiert?

Und dann meint einer noch zur Erläuterung: Wir hatten uns zu dem Zeitpunkt gerade über die Flüchtlingsproblematik ausgetauscht ... und dann nach diesem Ereignis festgestellt: "Eigentlich sind wir in einer ähnlichen Situation wie Flüchtlinge ..." Und ich denke auch, man kann die emotionalen Auswirkungen durchaus vergleichen! (Bei den Menschen, die das Ganze aus unmittelbarer Nähe mitbekommen haben ... einschließlich Lokführer wird das noch heftiger sein).

Mich hat diese Geschichte sehr bewegt ...


(27.08.2015) Wisst Ihr ... Freital und Heidenau haben mich ja schon betroffen gemacht. Nach dem im Beitrag gezeigten Video zum Brandanschlag in Nauen habe ich eine Nacht gebraucht, um meine Fassungslosigkeit zu überwinden und in Worte zu fassen, was mich bewegt:

Die Menschen in und um Nauen, die sprechen meine Sprache. Dort bin ich einmal zu Hause gewesen. Dort leben die Geschwister meines Mannes mit ihren Familien. Dort leben einige derjenigen jungen Leute, die ich früher ausgebildet habe ... sind etwa in dem Alter wie der junge Mann mit seiner Tochter ... haben auch Kinder. Und es ergreift mich ein Gefühl von Schmerz und Schauder. Da wird eine Sporthalle abgebrannt, die nach einer vorübergehenden Einrichtung als Flüchtlings-Notunterkunft wieder für Schüler genutzt werden soll. Und die Kommentare laufen darauf hinaus, dass man Angst davor hat, dass Kinder und Enkel keine vernünftige Bildung mehr bekommen. Ist das nicht grotesk?

Und was hat die Tochter vom Vater gelernt, als dieser sagt: "Ich hab ja nichts gegen ..., aber ..."? Genau! Selbst so zu reagieren: "Ich mag Andere ... ein bisschen, aber ich will keine Ausländer in meiner Klasse!" Und das mit demselben unsicheren-entschuldigenden Blick, in dem die Angst vor der eigenen Courage steckt!

Wisst Ihr ... Ihr braucht nicht auf Demonstrationen zu gehen, um für Ausländer einzutreten. Wenn Ihr der Meinung seid, es gibt nichts, was Ihr abgeben könnt, von dem was Ihr habt ... auch nicht schlimm! Doch wenn Ihr eigene Kinder habt oder wenn Ihr mit Kindern in Eurem Beruf oder Eurer Freizeit umgeht, dann bringt ihnen bei, was Menschlichkeit, Nächstenliebe und Courage heißt. DAS ist das Wichtigste, was Ihr tun könnt!


(10.07.2015) Also heute habe ich mir mein Honorar mal wieder schwer erarbeitet. Dabei fing alles noch recht gut an. Es ist eine sehr schöne KITA gewesen: Hell, freundlich, viel Phantasie ersichtlich ... kreative Arbeiten der Vorschulkinder im Foyer.
Um 15:30 Uhr bin ich bestellt (Die Abschlussfeier der „Schuki“ hat um 15:00 Uhr begonnen). Man macht mich drauf aufmerksam, dass es wohl 16:00 Uhr wird. Kein Problem, sage ich, denn ich weiß, dass sich der Ablauf nicht immer planen lässt ... vor allem, wenn Eltern noch einzeln ihren Dank an die Erzieher los werden wollen.

Die nette Dame zeigt mir den Raum. Ein hergerichteter Gruppenraum mit Kissen. Sieht schön aus. Ich hänge die „Schneeseerehkleefee“ (Märchenwoll-Puppe) auf, lege die Requisiten bereit. Die Feier ist draußen, ich habe einen guten Blick, dort „werfen“ gerade Väter die  "Schukis hinaus". Einer der "Steppkes" moderiert das Ritual am Mikrofon. Dann werden weitere Aktivitäten und Bewirtung angekündigt.
 
Langsam kommen die ersten 3 - 4 Kinder ... es sind größere, schon Schulkinder, sie sind neugierig, fassen alle meine Requisiten ungefragt an und schnattern in einer Tour. Auch eine schöne aufgebaute Holzburg der Kindergartengruppe mit bunten Steinen wird untersucht. Ich sage, dass ich hier auch nur zu Gast bin und deshalb darauf achte, nichts zu beschädigen und sie mögen auch meine Sachen erst einmal liegen lassen.
 
Einige Eltern kommen, geben ihre Kinder ab: "Ich bin in 20 Minuten wieder da …" Andere Mütter fragen, wie viele Durchgänge ich denn erzähle. Ich bin verwundert und sage, es wäre vereinbart, dass ich 45 Minuten für eine Gruppe von Kindern erzähle. Ich weise darauf hin, dass es nicht günstig wäre, wenn zwischendurch immer wieder Kinder kommen und gehen. Aha! Aber auch Verständnis.
 
Um 16:05 fange ich an. Es sind KEINE Erwachsenen dabei. (Zwischendurch kommen durch den Nebenraum mal Väter, um zu fotografieren und gehen wieder).
 
Die "frechen" Jungs vom Anfang quatschen gleich zu Beginn dauernd dazwischen, machen untereinander Mätzchen. Schließlich weise ich klar und deutlich darauf hin, dass es stört und ich das nicht länger dulden werde. Ich frage die anderen: Findet Ihr auch, dass das stört? JA! Seid Ihr einverstanden, wenn ich die beiden nach draußen schicke, falls sie weiter stören? JA!
 
Die Geschichte kommt nicht so gut voran. Ein Junge meldet sich. Ich frage, was er möchte: "Mir ist langweilig!" ... Und mir tropft der Schweiß. So gut es geht, versuche ich die Handlung voran zu bringen und da beruhigt es sich.  
 
Dann das nächste Problem. Ein etwa 3jähriges Mädchen kommt zu mir mit Tränen in den Augen: "Ich will zu meiner Mama!". Was soll ich tun. Ich biete ihr an, dass sie sich auf meinen Schoß setzen kann. Habe ja meine Handpuppe mit dem "Schneeseekleereh" gerade in Aktion. Sie darf sie streicheln und auch zwischendurch mal halten. Es geht alles gut! Auch die Burschen sind inzwischen zahmer, aber haben meine Dose mit den "Erzähllustpillen" immer wieder am Untersuchen - Egal, denke ich mir ... auch wenn sie offen und ausgekippt ist :-(
 
Bei der nächsten Geschichte, die von der "großen Wörterfabrik", die ich zu den Bildern aus dem Buch erzähle, sind alle schon sehr viel aufmerksamer. Das ist spannend und sie wollen ja auch die Bilder sehen. Der frechste der Burschen darf dann auch eine Seite aus dem Buch vorlesen. Er liest sehr, sehr gut! Bekommt dafür ein Lob von mir. Am Ende verteile ich die Erzähllustpillen und erkläre wieder, dass sie dazu da sind, dass sie selbst die Geschichten nach eigener Erinnerung und Phantasie weiter erzählen dürfen.
 
Es ist noch etwas Zeit und ich frage, ob sie noch eine Geschichte wollen. Und ich wähle die wahre Geschichte von meinem persönlichen kleinen "Ritter Felix", der so toll meine Geschichten erzählen kann, wenn er sie einmal gehört hat. Das liegt wohl an den Pillen.  
 
Da waren sie dann so handzahm, dass die meisten auf den Kissen gelegen hatten. Die Erzieher, die dann kamen, glaubten es wäre die ganze Zeit so gewesen ...

Nach einer Veranstaltung ist VOR der nächsten Veranstaltung. Und so gehören für mich auch immer wieder die Gedanken dazu: "Was könnte ich beim nächsten Mal besser machen? Und worauf sollte ich in Zukunft achten?" Dieses Mal komme ich zu der Erkenntnis (und eigentlich hatte ich sie schon früher einmal), dass es NICHT gut ist, wenn die Kinder mit meinem Erzählauftritt vollständig überrascht werden ... wenn sie nicht wissen, was sie genau erwartet ... dass Geschichten frei erzählt werden, kennen viele gar nicht. Der Gedanke dahinter, ein besonderes Geschenk zur Verabschiedung der künftigen Schulkinder erst "ganz zum Schluss auszupacken", ist verständlich. Doch was passiert dann, wenn schließlich nur noch gesagt wird: "Wir haben eine Märchenerzählerin für Euch!" ...

Da ist es nur verständlich, dass die Kinder zu Beginn gar nicht auf die Zuhör-Situation eingestellt sind, dass sie - aus lauter Verlegenheit - auch ihre Mätzchen machen, dass sie sich teilweise verloren und verlassen fühlen. (Vor allem dann, wenn kein einziger vertrauter Erwachsener mit im Raum ist) Das sind Dinge, die ich künftig beim Vorgespräch unbedingt von meiner Seite aus ansprechen muss. Und trotzdem bin ich sehr stolz darauf, dass ich die Situation gestern doch noch gemeistert habe. Wer liebt, kann zaubern!


  (13.06.2015) Zwei kleine Erlebnisse vom
  Mittelaltermarkt Cornberg am letzten
  Wochenende: Dort hatte ich zwar meinen
  üblichen Spenden-Teller aufgestellt, aber
  niemals ausdrücklich um eine Bezahlung
  gebeten. Ich erhielt ja eine für den kleinen
  Markt angemessene Gage. Einige Zuhörer
  legten aber trotzdem selbstverständlich
  etwas hin.

  Am Sonntag kamen zwei Freundinnen
  (ca. 10 - 12 Jahre), die am Vortag bereits
  da waren. Sie hörten sehr aufmerksam zu
  und am Ende legte eine der beiden auch
  wieder eine Münze auf den Teller.

  Der anderen war das wohl ein wenig
  unangenehm, weil sie nichts hatte.
Deshalb meinte sie verlegen: "Das ist für uns beide ..." Worauf ich erwiderte: "Das ist schon völlig in Ordnung."

Das andere Erlebnis war bereits am Samstag. Zwei Frauen saßen zur Erzählzeit alleine bei mir. Ich erzählte ihnen zunächst eine Geschichte. Als ich eine zweite anbot, wollte eine der beiden eigentlich gehen, die andere jedoch (eine Frau mit "einem gewissen Extra" ... und warum ich es genau so schreibe, werdet Ihr am Ende merken) rief aus: "Oh ja, bitte!!!". Also blieben sie. Ich habe noch eine Geschichte erzählt ... es war "Die kluge Bauerntochter" und zwar so, dass sogar die Frau des Seilers nicht umhin kam, um die Ecke zu schauen.

Als ich fertig war, da leuchteten bei beiden Frauen die Augen und diejenige, die erst gehen wollte, meinte: "Das ist schöner als Fernsehen!". Und die andere umarmte mich so herzlich ... der besondere "Extra-Bonus".

Wenn ich also von Wertschätzung und Anerkennung des "Erzählerstandes" spreche, dann meine ich damit niemals ausschließlich Geld.


Diesen Beitrag habe ich aus aktuellem Anlass nach oben geholt, denn der Mittelaltermarkt in Cornberg letztes Wochenende ist in diesem Jahr der einzige gewesen, an dem ich teilnehme. Wie bereits vor einem Jahr hatte ich bei Facebook verkündet, dass ich mich nicht mehr aktiv auf solche Veranstaltungen bewerbe. Und wieder hörte ich Stimmen, die meinten, ich würde "auf einem zu hohen Roß" sitzen. Was ich erwarte ist einfach, dass Geschichtenerzähler genauso behandelt werden wie andere Künstler eines Marktes auch ... wie die Musik-Gruppen, wie Barden, wie Gaukler, wie Zauberer, Feuerkünstler, Falkner ... dass man sie nicht nur als simple Kinderbespaßung sieht, sie namentlich auch in Werbung und gegenüber der Presse nennt und dass sie angemessen bezahlt werden.

(13.02.2014) Es ist traurig, aber es bleibt mir nichts anderes übrig. Erst auf Nachfrage erhielt ich gestern diese Mail, nachdem ich mich bereits vor Wochen auf einem Markt beworben habe:

Hallo Walburga,

danke für dein Interesse an unserer Veranstaltung.
Da es für uns der erste Markt ist und wir keinerlei Erfahrungswerte haben, habe ich leider auch nur ein eingeschränktes Budget
für das Programm. Leider sind da keine 500.- Euro für Geschichtenerzählen machbar.

Gruß ...

Wohlgemerkt, ich komme mit einem Märchenzelt auf den Markt, in dem ich am ganzen Wochenende ohne vorgegebene Zeiten erzähle ... praktisch die ganze Marktöffnungszeit ... egal, wieviele Zuhörer da sitzen ... vorführendes Handwerk, lebendiges Mittelalter und das in meisterlicher Kunstform. Die Anreise, das Equipment, meine Ausbildung ... alles ist mit Kosten verbunden und ich stecke mein Herzblut in die Erzählungen. Und dafür sind 500 Euro (das war schon ein Freundschaftsangebot für einen ersten Markt ... der am Freitag mittag beginnt und am Sonntag abend endet) zu viel?

Dabei kennt mich dieser Veranstalter von zwei Jahren Mittelaltermarkt an einem anderen Ort (als sie mich das 3. Mal dort nicht engagierten - angeblich wegen eines internen Kommunikationsfehlers - gab es an der Torwache viele Nachfragen nach der Geschichtenerzählerin von den Jahren davor).

Deshalb habe ich mich heute entschlossen, kein aktives Marketing mehr in der Mittelalter-Szene zu betreiben. Ich erzähle nur noch dort, wo ich Wertschätzung erfahre!

Meine Mittelaltermarkt-Erfahrungen sind mir wertvolle Gesellen-Jahre gewesen. Doch offensichtlich besteht eine starke Abwertung der freien Erzählkunst und auch anderer Kleinkünstler. (Wie ich leider auch in einer Facebook-Gruppe letzte Woche erfahren musste, als man mir "Anmaßung" vorwarf, mich mit Musikern in diesem Bereich zu vergleichen. Die hätten alles Recht der Welt, 4stellige Gagen zu verlangen, sie müssen ja in Instrumente und Übung investieren).

Ich sehe ja auch nicht die Ursache bei den Veranstaltern alleine ... ich sehe es zum einen beim Publikum (die sich von lauter Dudelsack-Musik, Tavernen-Spektakel und Kaufrausch angezogen fühlen) und zum anderen bei den vielen kleinen Darstellern und Handwerkern, die immer wieder bereit sind, auch ohne eine Aufwandsentschädigung auf Märkte zu fahren. Doch, wer - wie ich - nichts verkauft, sondern nur traditionelle Kunst, Hand- und Mundwerk vorführt, der kann das bestenfalls als Hobby sehen.

Sollte ein Veranstalter allerdings mutig genug ist, diesen Teufelskreis zu durchbrechen ... wenn er auf Qualität bei der Gestaltung seines Markes setzt und damit vielleicht erst einmal eine kleinere Zielgruppe ganz speziell ansprechen will, die eben nicht nur auf "krachende Unterhaltung, Wein, Weib und Gesang" steht, dann kann er ja gerne bei mir anfragen ... das wäre dann das wertschätzende Publikum, das ich gerne mit meiner Erzählkunst begeistere.

Und zu diesen Gedanken stehe ich auch heute noch! Weil ich es mir selbst wert bin!


... veröffentliche ich ab heute (05.05.) bis zum 06.06. auf meiner Facebook-Seite
"Walburga - Erzählkunst"
Erinnerungen an jede einzelne Etappe -
Auszüge aus meinem Wandertagebuch und Fotos.


(03.05.2015) 10 Jahre Freiberuflichkeit ... auch wenn ich im Jahr 2005 bei meinem Start in die Selbständigkeit noch nicht definitiv vorhatte, "Beruf-Geschichtenerzählerin" zu werden: Erzählerische Methoden gehörten schon immer zu meiner Arbeit. Deshalb durfte ich es auch unter "10 Jahre - Walburga - Erzählkunst" feiern.

Valentina (Salon Hubert, Bad Soden) hatte mir eigens dafür eine märchenhafte Festfrisur gezaubert. Eingeladen hatte ich ins "Gemaahaus" Treisberg (leider machte mir das Wetter einen Strich durch die Rechnung Freiluftveranstaltung) zu einem Nachmittag bei Kaffee und Kuchen sowie "Geschichten zu Hauf(f)". Leider kamen nicht viele Gäste ... aber die, die kamen, waren bewegt, berührt, begeistert und beglückt.

Und hier ein Auszug aus einer Glückwünschkarte: "Liebe Walburga, als öffentlich bekennender Fan von Deiner Erzählkunst bin ich immer wieder gespannt auf Deine bildhaften Reisen, zu denen Du uns Zuhörer mitnimmst. In meinem Bücherregal hat dieses kleine und schon etwas betagte Schätzchen bereits etwas Staub angesetzt. Es würde mich freuen, wenn Du es mit Deiner unverwechselbaren Art wieder zu neuem Leben erwecken könntest und damit mich (und natürlich auch alle anderen begeisterungs"offenen" Zuhörer) der Glückseligkeit etwas näher bringst!"


(23.04.2015) ... dann hat sie etwas zu erzählen. So ist das auch - und gerade - bei mir. Ich war am vergangenen Wochenende in Hamburg ... 

... auf dem Treffen der deutschsprachigen Erzählerinnen und Erzähler. Und ich stehe noch ganz unter dem Eindruck der Erlebnisse. Das Motto war "Der Fischer und seine Frau - Von Größenwahn bis kleinkariert". Dabei lernte ich nicht nur dieses Märchen völlig neu kennen.

Wusstet Ihr z. B. warum immer die Rede davon ist, dass das Fischer-Paar in einem alten Pisspott wohnte? Nun: Als "Pott" wird eine kleine Kate bezeichnet ... und ich stellte dann sofort die Assoziation "pissige Kate" her. Und Kate kommt von "Kote" und da steckt das Wort "Kot" drin. Wir verwenden ja heute auch noch das Wort "Kotflügel" am Auto, obwohl der schon lange nicht mehr dazu dient, den Pferdemist von Fahrer und Beifahrer fernzuhalten, der früher auch auf den Straßen lag. Und wer das nun weiß, der kann sich sicherlich vorstellen, wie die kleine Hütte des Fischerpaares aussah! ;-)

Auftakt des Treffens war eine Barkassenfahrt im Hafen am Freitag abend ... bei herrlichem Wetter mit einem traumhaften Sonnenuntergang!

"Was ist für Dich kleinkariert?" - Das war eine der Fragen in der Vorstellungsrunde ... und ich hatte nicht viel Zeit zum Überlegen. Ganz ehrlich gesagt, konnte ich - zumindest in diesem Moment - nichts Negatives in dem Wort finden. Ich sah es als etwas, das es wert ist, genauer untersucht, im Detail betrachtet zu werden ... und vielleicht lässt sich dann sogar etwas Großes darin finden.

Als ich mich dann dazu vorstellte und erwähnte, ich würde für Menschen "von 3 - 103 Jahren" erzählen, da meinte eine aus der Gruppe spontan: "... dass Du nicht für 104jährige erzählst, das finde ich nun kleinkariert!" - Ja, ich war schon immer eine gute Impulsgeberin ;-)

Viele Geschichten habe ich in den Workshops und offenen Erzählabend von den 80 Erzählerinnen und Erzählern gehört. Einige werde ich auf jeden Fall weitertragen ... so wie gestern abend im "Wohlfühlhaus" Bad Homburg die von Charles Aceval ... von dem kostbaren Auge. (Foto: Angelika Steiger, eine meiner Zuhörerinnen)


Foto-Impressionen vom diesjährigen Weltgeschichtentag in Baunatal. Das Motto dieses Jahr war "Wünsche"

Premiere meiner Erzählversion des Märchens "Das kalte Herz" nach Wilhelm Hauff.

Bei "Klick" auf das Bild
öffnet sich der Link
zu einem Video-Ausschnitt!



(13.03.2015) Freitag, der 13. - und mir kamen ganz böse Gedanken ;-)

Alle diese Sprüche habe ich schon mal gehört und vielleicht andere Erzähler auch schon. Also einfach ausdrucken (PDF-Format), auf Kommentare achten und abhaken. Wenn eine Reihe voll ist, laut "Bingo!" rufen!



(05.03.2015) Vorgestern abend stellte ich meine neue Variante der Erzählung vom "Langen Strumpfstricker" im Erzähler-Forum von Helga Gruschka in München vor. Thema des Austausches war an diesem Abend "Das gute Ende" und genau das war für mich immer der Knackpunkt an dieser Geschichte ... wie erzähle ich sie mit einem guten Ende.

Dabei ist es gar nicht so das Problem, ein gutes Ende zu haben. Aber was ist, wenn da, wo alles gut ist, die Geschichte eigentlich noch nicht zu Ende ist und die Zuhörer mich mit fragenden Gesichtern anschauen: "Aber ..." Und was ist, wenn das einfache Ende "... und sie lebten glücklich und zufrieden bis ans Ende ihrer Tage" in diesem Fall nicht stimmig für mich ist.

"Am Ende ist alles gut.
Und wenn es nicht gut ist,
dann ist es noch nicht das Ende."

Ich bin noch nicht ganz zufrieden mit dieser neuen Erzählversion, aber meine Geschichten wachsen ja, indem ich sie vor Publikum erzähle ... sie bekommen von meinen Zuhörern ihre Nahrung. Und deshalb wird alles gut!


(16.02.2015) Dies ist also der Roman, geschrieben von Maria Melchers, erschienen 1941 im Kurt Schroeder Verlag Wiesbaden. Mit viel Liebe zum Detail für die Beschreibung des Usinger Landes hat die Autorin das Schicksal des "Langen Strumpfwirkers aus Eschbach" und seiner Familie beschrieben ... die Geschichte, die mich vor 5 Jahren auf die Wanderung vom Taunus bis nach Potsdam führte:

Es lebte einmal ein König in Preußen, der residierte in einer großen Stadt und dieser König liebte seine Soldaten gar sehr. Deshalb nannten ihn alle auch nur den "Soldaten-König". Es war nicht so, dass er sie in den Krieg schickte. Nein, er schätzte den Glanz und die Macht, die von seinen Heeren ausgingen. Es bereitete ihm schon große Freude, sie in ihren schmucken Uniformen marschieren zu sehen ...

Besonders liebte dieser König seine Leibgarde, die "Langen Kerls". Das waren Männer, die mindestens 1,88 m groß waren - für die damalige Zeit eine abnormale Größe. Der König selbst soll jeden seiner Grenadiere selbst nachgemessen haben. Mit ihren überhohen Mützen (Im Video zu Teil 1 sind sie zu sehen) waren sie für den Krieg gar nicht einsetzbar. Sie beeindruckten jedoch sehr beim Exerzieren.

Hohe Belohnungen setzte der König darauf aus, wenn ihm jemand solche Soldaten zuführte. Dem russischen Zaren soll er für einen "Langen Kerl" 7000 Gold-Taler gezahlt haben.

Und da er seine Soldaten gut entlohnte, sie ehrenvoll behandelte - ja besser behandelte als seinen eigenen Sohn - da war der Militär-Stand in seinem Land auch hoch angesehen.

Ganz anders allerdings war es jedoch im "Nassauischen". Wer sich dort den Soldaten-Rock anziehen ließ, der hatte sich entweder betrunken machen lassen, war in seinem Ort einer Missetat bezichtigt oder hatte vielleicht ein garstig Weib zu Hause :-) Es galt vor allem dem Volk auf dem Lande als Schande.

Zu dieser Zeit lebte im Dörfchen Eschbach bei Usingen ein junger Mann mit seiner Frau. Er war ein Strumpfstricker oder Strumpfwirker, 25 Jahre alt und doch schon hoch angesehen im Dorf. Zweimal im Jahr machte er sich auf die Wanderschaft in die große Stadt Frankfurt zur Messe auf, um dort seine gewebten Strümpfe und Gamaschen zu verkaufen. Doch dies war für ihn immer mit Gefahren verbunden, denn ...

er war ein stattlicher junger Mann mit einer Größe von 6 Fuß, 3 Zoll = 1,96 m. Schon mehrmals war er nur mit Geschicklichkeit und knapper Not den Werbern des Soldatenkönigs entkommen. Als nun aber seine Frau das erste Kind bekam, machte sie sich verständlicherweise mehr Sorgen, wenn ihr Mann unterwegs war. Und eigentlich sollte es sein letzter eigener Gang nach Frankfurt werden ... eigentlich nur bis zur "Lochmühle", denn dort wollte er seine Waren künftig einem Aufkäufer/Händler mitgeben. Doch von dieser Wanderung kehrte er nicht zurück.

Vergebens wartete seine Frau und sorgte sich vor allem seine Schwester, welche die Frau des Verwalters des Junkernhofes in Usingen war ...

... mündlich und frei erzählt ist die Geschichte "Vom langen Strumpfstricker aus Eschbach" natürlich ein ganz besonderes, außergewöhnliches Erlebnis, in dem sich Erzähltes, Gelesenes und selbst Erlebtes zu einem Genuss für Ohren und inneres Auge verbinden. Ich verspreche: Kein Kino-Film kann besser sein ...

... und freue mich also über Veranstalter-Anfragen!


(08.02.2015) Zum einen war die letzte Woche angefüllt mit der Erarbeitung neuer Geschichten. Beim letzten Märchenabend brachte mir ein Gast drei Bücher mit. Er erklärte mir mit bewegenden Worten, wie sehr er Märchen liebt ... und wie sehr er sich darüber gefreut hatte, von einer Bekannten die beiden Eintrittskarten zu meiner Erzählung bekommen zu haben. Eines der beiden Bücher möge ich ihm auf jeden Fall zurücksenden. Die anderen beiden dürfe ich behalten und er hätte darin einige Geschichten gekennzeichnet ... wenn ich die einmal erzählen würde, dann solle ich ihn unbedingt anrufen. Dann würde er auf jeden Fall kommen. Nun, eine davon habe ich mir auf jeden Fall schon vorgemerkt ... sie passt sehr gut in meinen April-Märchenabend, wenn ich über Täuschungen und Enttäuschungen erzähle.

Und eine schöne Geschichte von einem "alten Esel" ist entstanden, die ich in meine nächsten "Lichtblicken per Mail" hineinlege.

Ansonsten stand die letzte Woche ganz im Zeichen meiner Vorbereitungen zum 10. Jahrestag meiner Selbständigkeit und Selbstmarketing. Einen Sonder-Flyer habe ich erstellt, in Druckauftrag gegeben und eine Werbeaktion mit dem "Usinger Anzeiger" vereinbart.


(29.01.2015) Vor 20 Jahren machte ich eine Reise nach London. Abends saß ich mit den Freunden meiner Reisegruppe an der Hotelbar. Der Abend war lang und die meisten waren schon zu Bett gegangen, da kam ich ins Gespräch mit einem fremden Mann. Er sprach mich an, weil ihm der Dialekt aus dem Berliner Umland so vertraut war. Es stellte sich heraus, dass er aus einem kleinen Ort im Brandenburgischen kam. Allerdings war er schon seit mehr als 2 Jahren in der Welt unterwegs. Als seine Frau plötzlich gestorben sei, habe er einfach alles verkauft, was er besaß. Er wollte nachholen, was er in DDR-Zeiten nicht tun konnte. Er wollte all die großen Sehenswürdigkeiten entdecken … die Pyramiden in Ägypten, die Freiheitsstatue in New York, die Chinesische Mauer. Besonders interessierten ihn zunächst die Schlösser der europäischen Fürsten und Könige. Vor einigen Jahren war er deshalb schon einmal in London gewesen.

Dann erzählte mir dieser Mann eine Geschichte von einem geheimnisvollen Schloss in Schottland ...

... und gestern erzählte ich diese Geschichte weiter, im "Wohlfühlhaus" Bad Homburg bei meinem monatlichen Märchen-Erzählabend für Erwachsene. Meinen Gästen hat es gefallen, wie auch die anderen Erzählungen. Und auch meinen Suppentopf durfte ich leer wieder nach Hause tragen - es gab Sellerie-Birnen-Suppe sowie Häppchen von teilweise selbstgebackenem Brot mit einem Roquefort-Birnen-Aufstrich.

Nächster Termin für diese Veranstaltungsreihe ist der 18.02.2015 ----> Veranstaltungskalender


(16.01.2015) Das ist ein Zitat von Heinrich Dickerhoff (ehemaliger Präsident der Europäischen Märchengesellschaft, Märchenerzähler und Theologe) aus dem Buch „Trau deiner Sehnsucht mehr als deiner Verzweiflung“. Ich habe es im Dezember von Michaele Scherenberg geschenkt bekommen, als ich bei ihr im „Aprikosenhaus“ war.

Dickerhoff fügte hinzu, dass das Wort Wahrheit von "bewahren" kommt. Wenn ich mich also für die Wahrheit einer Geschichte verbürge, dann heißt das, dass es sich lohnt, es so zu bewahren ... weil es sich lohnt, erinnert zu werden und nicht vergessen zu lassen.

In meinem Online-Workshop „Präsentation und Selbstmarketing mit Storytelling“ schrieb diese Woche eine Teilnehmerin: „Manchmal würde es eine Geschichte interessanter machen, wenn man einleitend sagen kann, dass man sie in einem verschlossenen Koffer im Haus der Großeltern gefunden hätte, als wenn man sie einfach gegoogelt hat.

Ja, das ist richtig! Ich selbst habe einige Geschichten, zu denen sage ich immer, dass ich sie auf meiner Wanderung erzählt bekommen habe ... ganz einfach, weil es so gewesen sein KÖNNTE ... weil mir da Menschen begegnet sind, zu denen es gepasst hätte ... weil sie ein Stichwort dazu gegeben haben.

In den nächsten "Lichtblicken per Mail" (Februar) werde ich Euch ein Beispiel dafür geben, wie ich das umsetze! :-)


(10.01.2015) ... wenn wir es wollen, auch in der Realität!

Im Mai werde ich den 10. Jahrestag als Freiberuflerin feiern. Es war nicht immer leicht ... aber wenn ich zurückblicke, dann sehe ich, dass es gut war. Die Jahre verliefen für mich nach dem Motto: "Lieber langsam wachsen, statt schnell untergehen!"

Manch einer stellte mir jedoch im Laufe der Jahre (manchmal auch provokativ) die Frage, ob ich so etwas wie Verzweiflung und Existenzangst überhaupt kenne. Es gibt Menschen, die es kaum glauben können, dass jemand „so viel Glück“ haben kann. Auch hörte ich schon, ich würde in meinem "Wolkenkuckucksheim"  andere, nicht so rosige Sichtweisen gar nicht zulassen.

Oh ja, es gab einige Situationen, in denen ich ziemlich niedergeschlagen und auch verzweifelt war. Es fing auch nicht wirklich glücklich an ...

Zum Jahresende 2004 hatte ich mein erstes Gespräch bei der Arbeitsagentur. Nach langer Wartezeit und einer Befragung zu den persönlichen Daten und Qualifikationen wie auf einem Verhör (bei dem ich nebenbei auch noch Zeuge weiterer Beratungsgespräche wurde) und erneuter Wartezeit wurde ich zu meiner Vermittlerin gelassen. Ich erklärte Ihr, dass ich mich als Beraterin und Trainerin selbständig machen und mich zunächst auf Berufsorientierung und Bewerbungsberatung konzentrieren wollte. Diese hörte sich meine Vorstellung schweigend mit ernster Miene an und meinte dann wörtlich: „Ja, da wildern Sie ja sozusagen in meinem Revier. Da will ich erst einmal sehen, wie für sie ein perfekter Lebenslauf aussieht ... ob Sie dafür überhaupt die Qualifikationen haben.“ Ich war wie vor den Kopf gestoßen. Schließlich hatte sie ja meine Angaben zum beruflichen Werdegang vorzuliegen, die mich als Expertin im Personalbereich auswiesen. Eigentlich hätte ich doch selbstbewusst bleiben können, doch ich wusste im ersten Moment nicht, wie ich darauf reagieren sollte. Dieser Satz traf mich in der Situation, als ich noch nicht genau wusste, ob ich die richtige Entscheidung getroffen hatte, den Sprung in die Selbständigkeit zu wagen. Ich hatte Rat, Hilfe und Unterstützung erwartet und stattdessen bekomme ich die Aussichtslosigkeit meiner Pläne vor Augen geführt.

Damals nahm ich mir fest vor, dass ich niemals so mit meinen Klienten umgehen werde. Und noch etwas lernte ich daraus: Ich muss mich künftig noch besser auf solche Situationen vorbereiten, damit ich gelassener und professioneller damit umgehen kann!

Nicht ohne Grund habe ich mir für meinen Märchenabend im Januar deshalb das Thema "Träume" ausgesucht ... und ich werde ganz sicher auch etwas darüber erzählen, wie ich zu meinem Traumberuf gekommen bin.


(06.01.2015) Manchmal fühlen sich Menschen in meiner Gegenwart oder direkt von mir verunsichert, unverstanden, angetrieben, belehrt, zurecht gewiesen, wenn ich mit einer "gnadenlosen Wahrheit" oder "von mir gepachteten Wahrheit" komme. Doch gerade unter Freunden ist es mir wichtig, Gedanken aussprechen zu dürfen, wie sie kommen, Spreu und Weizen in einem, und zu wissen, eine freund-liches Auge und Ohr nimmt sie auf ... bewahrt im Herzen, was des Bewahrens wert ist (egal, ob es sofort genutzt werden kann) und lässt das andere von einem gütigen Wind davon ziehen.

Und wenn jemand das eben nicht mehr will ... wenn er dieses vertrauensvolle Wohlgefühl in meiner Nähe eben nicht mehr spürt, dann lasse ich denjenigen eben auch mit dem gleichen gütigen Wind gehen. Wege trennen sich auch mal und kommen sie irgendwann wieder zusammen.


(04.12.2014) In der vergangenen Woche war ich wirklich jeden Tag erzählerisch im Einsatz. Es begann am 29.11. in Nieder-Olm. Dort führt Jana Voll die Goldschmiede "Formvoll" und hatte zu einer Adventsausstellung in ihrer Werkstatt eingeladen. Für mich war in der daneben liegenden alten Schmiede ein Erzähler-Sessel bereitgestellt und viele Zuhörer kamen. (Foto: Jana Voll)

Ganz egal, ob ich mit Kamishibai, z. B. "Der Dank des Kranichs" erzählte oder ohne z. B. "Vom unzufriedenen Tannenbäumchen" ... die Zuhörer waren ganz gebannt.

Am 30.11. habe ich dann auf der Adventsfeier des Senioren-Netzwerkes "Silbergrau" in Schmitten erzählt. Besonders hat es mich gefreut, den ehemaligen Pfarrer von Arnoldshain, Martin Hoffmann, persönlich zu treffen.

Er ist derjenige, der die Erzählung von der "Arnoldshainer Weihnacht" aus alten Kirchen-Aufzeichnungen vor Jahren aufgeschrieben und so für die Nachwelt erhalten hat. Vor einigen Jahren hatte ich sie an gleicher Stelle erzählt. Als darüber in der Zeitung berichtet wurde, schrieb er mir und sandte mir noch Kopien seiner Originalaufzeichnungen. Nun erfuhr ich auch, dass er die Geschichte damals ursprünglich als Krippenspiel geplant hatte.

Am 02.12. stand die Vereinsfeier des Obst- und Gartenbauvereins Worfelden in meinem Terminkalender. Unter dem Titel "Bewegter Advent" war für Kinder und Erwachsene am Lagerfeuer ein Platz gerichtet und es kamen so viele, wie noch niemals zu einer dieser traditionellen Veranstaltungen. Eine ganz magische Atmosphäre ... und als ich "Frau Holle" erzählte, da fing es doch wirklich an zu schneien.

Heute war wieder die ältere Generation an der Reihe. Die Gemeinde Schmitten hatte alle Senioren aus den 9 Ortsteilen eingeladen. Der Saal war bis auf den letzten Platz besetzt, als ich die Wiener Sage "Der Bäcker in der Roteturmstraße" erzählte. Diese Geschichte wurde mir wirklich "von Mund zu Mund" zugetragen ... im Sommer in Wien von der Erzählerin Christa Schmollgruber. Es war eine Premiere ... und was für eine sensationelle. Denn ich wurde begleitet von einem super begabten jungen Geigenspieler (in der Geschichte geht es auch um einen Helden, der Geige spielt).

Selten erzähle ich mit Mikrofon ... hier war es notwendig und seit langer Zeit war ich wieder einmal selbst total bewegt von meiner Erzählung ... ich hatte ein Gefühl, dass alles gestimmt hat. Und wann passiert es schon einmal, dass der Veranstalter sich bei mir bedankt mit den Worten: "Ich könnte sie jetzt küssen!" ;-)

Morgen geht es weiter: Ein 75. Geburtstag, bei dem das Geburtstagskind noch gar nichts von meinem Auftritt weiß! Und am Samstag gibt es "Adventsgeschichten am Kamin" im Wohlfühlhaus Bad Homburg.


Walburga Kliem - Geschichtenerzählerin - http://t.co/hTQlYfziSG Die Frau ist einfach märchenhaft! Bezopft wie Rapunzel, listig wie Gret...— Virginia Winter (@GiniWinter) 27. Oktober 2014  


(04.11.2014) Ich bin ganz glücklich, dass ich es Euch heute zeigen kann ...
Im Atelier von De Fahnemaler - Norbert Erb entsteht es gerade für mich auf eine ganz traditionelle Art und es begann so: Auf der "Oberurseler Feyerey" regten Norbert und seine Freundin mir gegenüber nämlich ein handgemaltes Banner auf altem Leinen an und ich war total begeistert ...

Nun hat er nach meinen Gedanken das Bild dazu entworfen ... und es wird künftig nicht nur auf Märkten sichtbar sein, sondern ziert auch bereits als Logo meine Unterseite zur Erzählkunst - Termine und Referenzen.

Stolz werde ich damit nicht nur auf den Mittelaltermärkten "Flagge zeigen", sondern es ab sofort als mein Erkennungszeichen führen. Entsprechend wird es auch in meine Drucksachen aufgenommen. Und damit ist für mich auch die endgültige Entscheidung gefallen:
Ab 2015 präsentiere ich mich in meinem beruflichen Auftritt ausschließlich als Märchen- und Geschichtenerzählerin ... als Erzählkünstlerin ... als Walburga, die Märchen(ver)zauberin.

Hinweis:
Meine Webseite zum Bereich "KLIEM Coaching" bleibt zwar bestehen, aber ich werde meine Seminar- und Workshop-Tätigkeiten nicht mehr aktiv bewerben. 

Mal-Kunst trifft Erzähl-Kunst!

Das Banner
auf altem Leinen entsteht...







Unten:
Detail-Ansicht des Schriftzuges


Detailansichten Gans



(01.11.2014) Und hier der 2. Teil meiner Erinnerungen an unsere Erlebnisse des Herbstes vor 25 Jahren:

Das Gewitter-Grollen nahm zu: Im Frühsommer 1989 wurde in unserer Post-Betriebsschule ernsthaft darüber nachgedacht, den Lehrlings-Austausch mit „Magyar Posta“ abzusagen. Wir hatten mit den Ungarn eine jahrelange Zusammenarbeit. Aber nun gab es „Republik-Flüchtlinge“, welche die offenen ungarischen Grenzen nutzten. Niemand wollte die Verantwortung dafür übernehmen, wenn aus der Reisegruppe jemand „abhaute“.

Im Sommer 1989 bekamen wir dann wieder eine Neubau-Wohnung angeboten – 2,5 Zimmer, Küche, Bad, Balkon. Wir wagten es nicht, diese abzulehnen, obwohl sie uns mit 67 Quadratmetern immer noch zu klein erschien und im 5. Stock ohne Fahrstuhl lag. So sind wir am 18. August 1989 – dem 2. Geburtstag unserer Tochter Maria - aus dem Grenzgebiet ausgezogen.

Bereits drei Wochen später war ein junges Paar, das gemeinsam mit uns eingezogen war und wenige Tage nach dem Einzug ihr Kind bekommen hatte, verschwunden ... Flucht über die Prager Botschaft. Ich stellte mir selbst die Frage, wie jemand sein Neugeborenes einer solchen Gefahr aussetzen kann.

Die Feierlichkeiten zum „Jahrestag der DDR“ waren begleitet von Warnungen. Wir waren jedoch "auf dem Land", meine Schwiegermutter feierte immer ihren Geburtstag. Doch die Schilderungen von Freunden, Kollegen und Bekannten über das Vorgehen der Sicherheitskräfte verhieß nichts Gutes.

Und dann kam der November. Am 9. November hatten wir abends wie immer den Fernseher eingeschaltet. Seit den ersten Demonstrationen erschienen uns die Nachrichtensendungen auch immer offener in ihrer Darstellung und so verfolgten wir die Neuigkeiten mit Interesse. Auch die Erklärung von Günter Schabowski bekamen wir noch mit. Ich erinnere mich daran, dass ich mich darauf freute, nun doch bald meine Tante im Schwarzwald (zu deren 50. Geburtstag ich in dem Jahr nicht fahren durfte) besuchen zu können.

Dann gingen wir ins Bett, denn am nächsten Tag musste ich ja wieder früh raus: die Kinder in den Kindergarten bringen und dann zur Arbeit. Am Morgen danach stand ich alleine auf, Bernd hatte wohl Spätdienst. Ich schaltete das Radio an und traute meinen Ohren nicht, was ich da hörte. Aufgeregt lief ich ins Schlafzimmer und ich erinnere mich, als wäre es jetzt in diesem Moment, wie Bernd im Halbschlaf brummte: „... und deshalb weckst Du mich?“.

Natürlich hatte ich die Befürchtung, dass mindestens die Hälfte meiner Lehrlinge an diesem Morgen nicht vor der Tür stehen würden. Doch ich hatte mich geirrt: Sie waren ALLE anwesend. Ich empfand das als eine große Wertschätzung. Sie wollten  mich nicht in Schwierigkeiten bringen, nach der „Speicher-Affaire“ wenige Monate vorher (siehe Teil 1). Erst nach dem Arbeitstag (ich ließ sie deshalb ein wenig früher gehen und nahm das auf meine Verantwortung), gingen sie in die Meldestellen, um sich die „Ausreise-Erlaubnis“ zu holen ... genauso wie ich.

Doch unser erster „West-Besuch“ musste noch ein wenig warten. Ich wollte unsere Töchter noch nicht mitnehmen in dem ganzen Trubel, sie erschienen mir mit 5 und 2 Jahren noch zu klein dafür und außerdem war es Anfang November bitterkalt. Am Wochenende kamen meine Schwiegereltern als „Babysitter“. Wir wollten einfach nur mal schauen, wie es in West-Berlin aussieht, wir wollten es einfach mal erleben, über den Ku-Damm zu laufen ... und das haben wir auch gemacht. Erschrocken war ich hier über die „Gier“ vieler Landsleute ... bei der Verteilung von Bananen, Kaffee und Schokolade ... oder wenn sie fremde Kinder als ihre eigenen – die sie nicht mit hatten - ausgaben, um für diese gleich das Begrüßungsgeld ausgezahlt zu bekommen.


Auf dem Rückweg hatten wir noch ein sehr schönes Erlebnis. Unser Wartburg hatte einen „lecken“ Kühler und so mussten wir kurz vor der Grenze wieder anhalten, um Wasser nachzufüllen. Ein Mann sprach uns an, fragte, woher wir kommen. Wir erzählten ihm von uns und unseren Kindern. Zu unserem defekten Kühler empfahl er uns einen Zusatz, den man mit dem Wasser hineinschütten konnte, damit er dicht wird. Den gäbe es auch gleich in der Tankstelle zu kaufen. Er holte ihn uns und brachte für unsere Kinder noch Schokolade und für Bernd Zigaretten mit. Wir sahen ihm die Freude über das Ereignis „einiges Deutschland“ richtig an ... und plötzlich war der November gar nicht mehr so kalt.


(25.10.2014)
... war der Titel des Erzähl-Dinners im Landgasthof "Zur Linde" Weilrod-Gemünden gestern abend. 21 Gäste genossen ein erstklassiges Wildmenü an herbstlich gedeckten Tischen
und lauschten den Geschichten,
u. a. von Nasreddin, der bei seinem geizigen Nachbarn auf ungewöhnliche Weise einen kleinen Topf in einen großen umtauschte ...

...  und von einem König, der mit Hilfe eines Geschichtenerzählers auf die Lösung eines schwierigen Rätsels kam.

Einen Video-Mitschnitt gibt es auch:
Vom König, der Rätsel liebte

(Neugierig auf das Ende? Gerne erzähle ich dieses Märchen auch auf Wunsch bei jeder Live-Veranstaltung ... am 19. November 2014 im "Wohlfühlhaus" ist es auf jeden Fall dabei!)



(15.10.2014) Tja, eigentlich ziehe ich ja die mündliche Kommunikation vor, seit ich meine Berufung als Märchen- und Geschichtenerzählerin erkannt habe. Das Schreiben von „geschliffenen“ Texten ist nicht mehr so mein Ding. Gerade in der Beschreibung der Situation vor 25 Jahren werden in schriftlichen Worten niemals die Gefühle und die persönliche Charakteristik der beteiligten Personen so „mitschwingen“, wie ich sie in einer Erzählung zeigen könnte.  Trotzdem erfüllte ich vor 5 Jahren den Wunsch des "Chefredakteurs" unserer Heimatvereins-Zeitschrift, einen Artikel über "die Zeit der Wende" zu schreiben ... darüber, wie wir es als Familie erlebt hatten in der DDR.

Hier also der erste Teil meine Erzählung ...
erstveröffentlicht im Oktober 2009 im "Treisberger Blatt":

Gewitter kündigen sich an. Wir sehen, wie dunkle Wolken aufziehen; wir riechen den besonderen Geruch, wir hören das ferne Donnergrollen, wir fühlen die drückende Hitze.
Und genauso kündigten sich bereits zeitig im Jahr 1989 Veränderungen in unserer damaligen Heimat an. Und es war nicht nur die Tatsache, dass wir dringend nach einer größeren
Wohnung suchten.

Seit 1984 wohnten wir in Potsdam-Babelsberg, genauer gesagt in Potsdam-Kleinglienicke
und noch genauer gesagt, im Grenzgebiet Potsdam-Kleinglienicke. Dort hatten wir eine kleine Wohnung mit 2 Zimmern, eine Dienstwohnung meines Arbeitgebers, der Deutschen Post.
Es war nach unserer Hochzeit die einzige Möglichkeit. Auch für verheiratete Paare gab es lange Wartezeiten bei der „staatlichen Wohnraumvergabe“, selbst wenn man wie wir äußerst dringenden Bedarf hatte: Bernd im Schichtdienst, ich mit nebenberuflichen Fernstudium, das erste Kind unterwegs und die vorherige Wohnung ein 9-Quadrat-Meter-Zimmer bei meinen Großeltern.

Doch im Jahr 1987 war auch diese Wohnung mit inzwischen zwei kleinen Kindern eigentlich zu klein. Immer wieder hatten wir bei den entsprechenden Stellen um eine größere Wohnung ersucht. Ein Angebot auf eine 2-Zimmer-Neubau-Wohnung im Hochhaus hatten wir bereits abgelehnt. Nur, um aus dem Grenzgebiet herauszukommen? Und dann nicht mehr Platz und auch keinen Garten mehr zu haben?

So schlecht war es nämlich im Grenzgebiet auch nicht. Wir fühlten uns in der abgesperrten Halbinsel, die eigentlich auf Westberliner Gebiet lag, wie in einem kleinen Dorf. Jeder kannte jeden, ich konnte sogar unbesorgt die Haustür auflassen (manchmal ist man auch in jungen Jahren etwas schusselig), keiner kam unangemeldet zu Besuch und als Ausgleich für die Unannehmlichkeiten hatte der Dorf-Konsum auch Lebensmittel, die im Rest der DDR
zu den sogenannten „Bückwaren“ zählten. Meine beiden Töchter haben sich z. B. niemals
über den Mangel an Bananen beklagen müssen.

Und der kleine Garten, der übrigens bis an die Mauer heranreichte, gab so einiges an frischem Obst und Gemüse (Erdbeeren, Bohnen, Pfirsiche, Mohrrüben – die hier Karotten heißen – und Zwiebeln) her. Allerdings mussten wir aufpassen, dass wir uns an die „Vorschriften für Grenzgebiete“ hielten: Als wir einmal den Spaten über Nacht draußen ließen, wurden wir gleich von unserem Nachbarn „angezählt“.


Und dann kam der Tag im Jahr 1987, an dem ich meine wundervolle Jeans-Jacke
(Westimport-Ware, nach der ich lange angestanden hatte) auszog und sofort in die Wasch-maschine steckte. Dabei vergaß ich völlig meinen Personalausweis in der Brusttasche, den wir ja immer beim Betreten und Verlassen des Grenzgebietes vorzeigen mussten. Dort war der Genehmigungsstempel angebracht ... nach dem Waschen allerdings nicht mehr und auch der Rest des Ausweises war ziemlich „durchgedreht“.  

Welch ein Schreck! Denn einen neuen Ausweis zu bekommen, dauerte normalerweise mindestens 4 Wochen. Zuerst musste ich die Grenzer überzeugen, mich „raus zu lassen“. Dann bin ich zur Polizei-Meldestelle. Dort zeigte die Beamtin Verständnis: „Eigentlich dürfte
ich Ihnen ja keine losen Seiten siegeln.“ Doch dann tat sie es doch und klebte den Ausweis notdürftig zusammen. Dann gab sie mir den Antrag auf einen neuen Ausweis und leitete alles in die Wege, dass ich mir diesen eine Woche später direkt beim Ministerium des Innern in Potsdam abholen kann.

Und dort bemerkte ich sie dann ... die ersten dunklen Wolken und den eigentümlichen Geruch des herannahenden Gewitters ... und zwar im Wartezimmer des Ministeriums. Ein junger Mann saß mit dort. Ich weiß nicht mehr genau, worauf oder warum er dorthin bestellt war. Ich erinnere mich aber noch genau daran, wovon er erzählte. So sah also jemand aus, der zu den „kriminellen Elementen“ gehörte, die die DDR durch „subversive Aktionen unterwandern wollte“? Er erzählte davon, wie er von Polizisten und Richtern behandelt worden wäre. Er erzählte, dass seine Freundin aufgrund von Repressalien Selbstmord begangen hätte und dass der Richter
ihn deswegen noch verhöhnt hätte, so etwa: „Es gibt doch genug Frauen auf der Welt ...“

Es berührte mich und trieb mir die Tränen in die Augen. Doch ich konnte das alles gar nicht glauben. Von meinem Stiefvater war ich zu einer „überzeugten Sozialistin“ erzogen worden, ich glaubte an das Gute der Sache. ... Aber im Jahr darauf musste ich selbst eine brenzlige Situation erfahren:

Ich war Ausbilderin bei der Deutschen Post für Telegrafistinnen, in  meiner Fernschreib-Werkstatt lernten die jungen Mädchen das Bedienen der Geräte, das Schreiben auf der Tastatur und die Grundlagen des Telegrammdienstes. Wenige Monate vorher waren elektronische Fernschreiber angeschafft worden, die einen Kurztext-Speicher hatten. Eine meiner Lehrlinge hatte aus Ärger über eine schlechte Bewertung in diesen Speicher geschrieben: „Alles Scheiße in diesem Staat.“ – Als ich es bemerkte, habe ich ein Vier-Augen-Gespräch mit dem Mädchen geführt ... aus dem wir beide mit einem guten Gefühl herausgegangen sind. Sie hat sich entschuldigt und ich konnte nachvollziehen, warum es dazu gekommen ist. Erledigt! Dachte ich ...

Allerdings hatte eine Kollegin die Angelegenheit mitbekommen und dem Parteisekretär zugeleitet. Und dann wurde doch noch fast ein „Staatsakt“ draus gemacht: Ich musste
plötzlich Rechenschaft ablegen, warum ich solche staatsfeindlichen Äußerungen nicht gemeldet hatte. Schriftliche Stellungnahmen wurden verlangt und eine öffentliche Rüge
für den Lehrling ausgesprochen. – Hätte es damals auch schlimmer ausgehen können?



(08.10.2014) Es ist genau das, was ich im Jahr 2010 erlebt habe. Ich war damals allein, zu Fuß, mit Rucksack ... und auch noch in historischer Gewandung auf 550 km vom Taunus nach Potsdam unterwegs. Ein "alleinreisendes Frauenzimmer" wird auch heute noch als etwas Außergewöhnliches angesehen. Warum eigentlich?

Die Frage: "Und wo ist denn Ihr Mann?" wurde mir sehr oft gestellt (schließlich war mein Ehering zu sehen). Und mit welchen "Schauergeschichten" mir ein Herr in mittleren Jahren kam, während seine Frau daneben stand und meinte "Wunderbar,
das würde ich auch gerne machen ...",
zeigt eigentlich eines:

Es braucht nur eine einzige goldene Regel: Es NIEMALS unter dem Aspekt zu sehen, dass man ja "weiblich, allein, auf großer Reise" ist!

(Foto: Facebook, Vivamundo Reisen)


(15.09.2014) Das Kamishibai ist ein Erzähltheater (wörtlich: Papiertheater), das ursprünglich aus Japan kommt. Die Erzählerin oder der Erzähler steckt dazu Bilder in einen Holzkasten, stellt ihn auf einen Tisch oder (wie ich das am häufigsten mache) nimmt ihn vor sich auf den Schoss. Sobald sich die Flügeltüren öffnen, erleben die Zuhörer dann nicht nur die Geschichte in Worten, sondern können die einzelnen Szenen auch Bild für Bild betrachten - "Fernsehen ohne Strom" sozusagen.

Als ich im Jahr 2008 meine Ausbildung zur Erzählerin absolvierte, war das Kamishibai noch nicht so bekannt. Doch es faszinierte mich vom ersten Augenblick an, als Helga Gruschka (meine Erzählmeisterin im Bereich "Erzählen für und mit Kindern") ihr kleines Kamishibai für uns Erzählstudenten öffnete. Da es noch keines zu kaufen gab, habe ich mir mein erstes (Format A4) von meiner Familie basteln lassen. Teile unseres alten Wohnwagen-Bettes kamen zum Einsatz und meine Tochter gestaltete mir die Türen des Kamishibai mit einer speziellen Spachtel-Technik.

Wie das so ist, gab es da noch einige Kompromisse. So war das Bilder-Reservoire sehr klein, normale Papier-Blätter passten gut rein, aber laminiert wurde es dann eng. Doch dieses Kamishibai ist immer noch in meinem Besitz und hat mir vor allem auf meinen Wanderungen gute Dienste geleistet.

Einige Jahre später fand ich im Internet ein Angebot der Firma "Kreashibai" und bestellte mir ein A3-Kamishibai. Es war aus stabilem Holz und multifunktional: z. B. mit einer offenen Rückwand, so dass auch Schattenspiele möglich wären. Hilfreich war auch, dass es einen Tragegriff hat und der große Bilderschacht. Im Laufe der Zeit hatte jedoch das äußere (Naturholz) sehr gelitten und die Tatsache, dass es wirklich nach allen Seiten offen war, bereitete mir oft Probleme. Obwohl ich die Seiten mit Weinkorken verschloss, fielen mir oft die Bilder heraus.
Nun hat mir mein Mann dieses Kamishibai neu gestaltet. Die Türen leuchten jetzt in einem warmen Rot-Ton ...

... und eine der beiden Seiten ist nun verschlossen. So kann ich entscheiden, ob ich - wie meist üblich - die Bilder von oben wechsele oder an den Seiten heraus nehme. Es lassen sich auch so noch ggf. kürzere oder schmalere Blätter von der Seite einschieben (z. B. bestimmte Detailergänzungen zu einem Bild). Auf der Rückseite ist nun eine Plexiglas-Scheibe angebracht. So können auch dort keine Blätter mehr herausfallen, es ist trotzdem noch für Schattenspiele geeignet und ich kann "Regie-Anweisungen" auf der Rückseite der Bilder vermerken, die dann beim Erzählen sichtbar sind.


(31.08.2014) Kennt Ihr den Film "Wie im Himmel?".
Ich habe ihn mir Anfang des Monats zum ersten Mal auf DVD angesehen, nachdem ich ihn
von verschiedenen Menschen empfohlen bekam. Einfach bewegend und berührend.
Ein international erfolgreicher Dirigent zieht sich nach einem Herzinfarkt in eine einsame schwedische Gegend zurück. Dort lässt er sich überreden, die Leitung des Kirchen-Chors zu übernehmen. Er träumt von einer Musik, die die Herzen der Menschen öffnet und verbindet.

Er ist der festen Überzeugung, dass jeder Mensch eine ganz einzigartige Stimme in sich trägt, die er nur frei lassen braucht. Nach intensiven Monaten des Übens, in denen der Zusammenhalt der Gruppe wächst und man sich auch gegen Widerstände des Pfarrers und seiner Anhänger gegen den "frischen Wind" erfolgreich zur Wehr setzt, meldet jemand den Chor für einen internationalen Wettbewerb an. Der Dirigent ist davon zunächst überhaupt nicht begeistert, denn seiner Meinung nach ist ein solcher Wettbewerb völlig sinnlos. Man kann Chöre nicht miteinander vergleichen, denn ihr Wert ergibt sich ja gerade aus der Vielfalt der einzelnen Stimmen und somit sind viele Chöre zusammen ein einzigartiger großer Chor ... eine Verbindung aus vielen Mosaik-Steinchen sozusagen.

Ganz ähnlich ... ja eigentlich ganz genauso ... ist das für mich mit den Erzählern. Wer will entscheiden, was richtiges und was falsches Erzählen ist? Es war für mich die entscheidende Erkenntnis meiner Ausbildung an der Goldmund-Erzählakademie: Nicht nur die Geschichten müssen frei sein, auch die Geschichten-Erzähler in ihrer Umsetzung dieser Kunstform.  

Da war es eine Freude für mich, auf diese Seite einer anderen Erzählerin zu stoßen:

http://www.uschi-erlewein.de/erzaehlstil/richtig-erzaehlen/

Sie spricht mir in vielen ihrer dort geschriebenen Texte aus dem Herzen ... zum Beispiel zähle ich auch inzwischen nicht mehr, wie viele Geschichten ich erzählen könnte ... ich habe eigentlich gar kein festes Repertoire mehr, sondern nur einen bestimmten Kern, der je nach Kundenwunsch oder inspirativer Eingebung durch meine Zuhörer individuell erweitert werden kann. 

(Erstveröffentlichung dieser Gedanken in meinen "Lichtblicken per Mail" vom 13.08.2014)








(27.07.2014) Stille über dem kleinen Dorf Treisberg im Taunus. Nur die frühen Vögel halten ihren Morgenschwatz. Viertel vor sechs öffnet sich die Tür des kleinen Häuschens am Dorfanfang und die seltsame Frau mit den grauen Haaren (das ihr heute lose über die Schulter fällt) tritt auf den Hof. Ihr dunkelgrünes Gewand lässt sie auf dem Weg hoch zum Pferdskopf fast schwebend erscheinen. Doch wird sie überhaupt jemand sehen? Das Dorf schläft noch, der Tag haucht sanft im Erwachen.

Oben am Parkplatz ist auch alles ruhig. Doch auf dem Grillplatz steht ein Kleinbus ... davor Campingtisch und Stühle ... ein Kasten Wasser unter dem Tisch. Die Frau geht leise über die Wiese, das Gras ist noch feucht. Weiter unten an den Hängen vor dem Ort blöken die Schafe.

Ein halber Baumstamm mit der Schnittfläche nach oben auf hölzerne Auflagen gelegt ... eine lange Bank steht ganz neu hier oben auf dem Grillplatz. Wie es sich wohl darauf sitzt? Herr-lich!

Ja, hier sitzen, dem eindrucksvollen Schauspiel zusehen. Sie wollte diesen Moment mit anderen teilen. Die Bank hätte Platz geboten für mind. 6, 7, 8 ...  Was macht es schon, das kein Mensch ihre Einladung angenommen hat ...
und sie ist ja nicht wirklich allein. Denjenigen, die in dem Kleinbus sicherlich noch schlafen, sendet sie eine gedankliche Geschichte in ihre Träume ("Augenblicke" aus einem Buch von "Frau Wolle", sie hat es gerade in dem Buch gelesen, das sie aus Wien mitgebracht hat).

Und im Strauchwerk schwatzen und schnattern die Amseln ... Tauben rufen. Ansonsten ist es so still, dass sie den Flügelschlag des Vogels hören kann, der gerade ins Tal segelt ... dem Sonnenaufgang entgegen. Noch ist es nur ein grauer Wolkendunst, aus dem sich zartrosa Federn erheben ... von Flugzeug-Spuren gezupft.

Die Glocke im Dorf schlägt 6 mal und aus dem Ort im Tal klingt die dortige Glocke wie ein Echo zurück. Eine Stelle im Wolkendunst färbt sich ... aus dem Rosa wird Rot und aus dem Rot ein leuchtendes Magenta ... ein Stück der Himmelsscheibe.




  Höher und höher
  steigt die Sonne.

  Ein neuer Tag
  atmet frei.



(18.07.2014)

Das sind meine neuen Flyer ...
mit einer kleinen Geschichte ...
für meine Zuhörer zum Mitnehmen,
als persönliche Erinnerung ...
oder Weiter-Verschenken. :-)



ErzählerInnen-Treffen in Wien vom 01. - 03. Juli 2014

... organisiert vom Verband der Erzählerinnen und Erzähler

... im Kreis von ca. 80 TeilnehmerInnen aus Deutschland, Österreich, der Schweiz und Tschechien (zweite Reihe von hinten Mitte rechts) .

Es waren drei erlebnisreiche Tage des Erzählens, Zuhörens, Begreifens, Erfahrens, Genießens, Schenkens und dankbar Annehmens. Zum Beispiel diese kleinen Geschenke, von denen jede/r eines bekam. Mit dem ersten konnten wir unseren Sprachschatz zu erweitern. Was sagt dieser Begriff wohl aus? Hilfreich könnte vielleicht folgendes Zitat sein, das ich im Internet gefunden habe:

„Oh, Sie Kreuzköpferl, Sie! Nein, daß ich heute noch einen solchen Spaß erlebe!... Herr Jesus, was Sie doch gescheit sind!“
(Marie v. Ebner-Eschenbach, Das Gemeindekind)

Und dabei denke ich mir, dass es jemand ist, der nicht nur gut aufpasst, was die Lehrer so sagen, sondern eben auch (im wahrsten Sinne des Wortes) ver-rückte Gedanken hat ... sein Gehirn also quasi "über Kreuz" mit beiden Hälften benutzt ... das Gelernte auch anwendet.

Das zweite Geschenk: Am ersten Tag des Erzählertreffens erzählte Hertha Glück zwei Teilnehmenden eine Geschichte. Diese sollte im Laufe der Veranstaltung "von Mund zu Ohr" weiter gegeben werden ...

... und am letzten Tag erzählte diejenige, die sie als letzte gehört hatte, dem versammelten Publikum und Hertha stellte dem ihre Original-Geschichte vor. Und dann bekam jede/r ein kleines Gläschen ... Blüten- und Kräutersalz von Hertha Glück und ihrer Mutter selbst gesammelt und zubereitet. Und an dem Gläschen der Spruch des Orga-Teams:


"Erzählen ist das Salz des Lebens"


Welches "Mund-zu-Ohr-Märchen" es gewesen ist? Nun, das können z. B. diejenigen erfahren, die meine "Lichtblicke per Mail" im Juli bekommen ... denn natürlich erzähle ich es weiter.


(08.06.2014) So sieht es aus, wenn Kinder bei mir "Geschichte in Geschichten" mit dem Kamishibai erleben. Anhand von Bildern zum "Götz von Berlichingen" erzählte ich nicht nur die Geschichte des Ritters, sondern die Kinder konnten auch einigen wissenswerten Details zur damaligen Lebensweise der Menschen lauschen und diese erblicken.



 ... sprach Fatmeh. "Verzeiht, wenn ich euch sage, dass euer Empfang meiner Geschichte nicht würdig ist. Man kann doch Menschen mit solch verdrehten Gesichtern nichts erzählen." Fatmeh schloss die Augen. "Nein! Bei der Seele meiner Mutter, wenn ihr mich nicht um die Geschichte bittet, werde ich gehen", sprach sie sehr ruhig."

Dieses kleine "Schnipselchen"  aus "Erzähler der Nacht" von Rafik Schami hat sich - genauso wie die Geschichte, die Fatmeh dann erzählt - tief in meinem Herzen eingenistet.

Deshalb erzähle ich z. B. auf Märkten in meinem Märchenzelt niemals zu festen Zeiten, sondern immer dann, wenn mich die Besucher um eine Geschichte BITTEN ... und wenn sie dann auch noch strahlende Freude im Gesicht darüber zeigen, dann ist das doppelt schön.

Deshalb nehme ich auch Einladungen/Aufträge von Menschen (egal ob im Mittelalterlager oder auch sonstwo), zu ihnen zum Erzählen zu kommen, gerne an. Doch wenn ich merke, dass die Gesellschaft alles andere will als  wirklich einer Geschichte zu lauschen, dann trinke ich meinen Tee und gehe. ;-)

Manche Selbständige und Freiberufler (nicht nur Erzähler) sind ja der Meinung, dass sie jeden Auftrag annehmen ... wenn nur das Honorar als "Schmerzensgeld" hoch genug ist. Ich gehöre nicht dazu!


(14.05.2014) "Klassiker der Weltliteratur für Kinder" - das ist eine Buch-/Hörbuch-Reihe aus dem Kindermann-Verlag. Schon seit Jahren gehört auch die "Ringparabel" aus "Nathan der Weise" zu meinem Erzählrepertoire. Jetzt möchte ich mein Programm mit einigen anderen Werken aus dieser Reihe erweitern. Und meine Wahl fiel als erstes auf "Götz von Berlichingen". Vielleicht empfindet das mancher als ungewöhnlich, aber dahinter steckt
(wie bei mir nicht anders zu erwarten) eine besondere biografische Geschichte.

Das Textbuch zu diesem Schauspiel von Goethe war eines der ersten Bücher, die ich aus dem Bücher-Regal meiner Mutter fischte. Ich hatte davon gehört, dass sie am "Harzer Bergtheater zu Thale" gelegentlich als Statistin auftrat. Ich war damals vielleicht 9 oder 10 Jahre alt, als ich es las. Erst viel später erzählte mir allerdings mein Vater, was ihn mit diesem Theaterstück verbindet (denn meine Eltern waren geschieden und ich sah meinen Vater erst nach 40 Jahren wieder). Er schickte mir dazu dieses Foto:

Der Junge auf dem Arm des Ritters ist mein Vater. Meine Großmutter und ihre Kinder waren damals schon Stamm-Statisten am Bergtheater Thale. Sie verdienten sich damit ein "Zubrot" zum Familien-Einkommen. Das Stück wurde 1953 aufgeführt und es war für meinen Vater eine richtige kleine Sprech-Rolle. Somit verdiente er auch statt der üblichen 2 Mark pro Vorstellung 8 Mark ... und die durfte er auch ganz allein für sich verwenden, für sein erstes eigenes Fahrrad.

Und so habe ich mich entschieden, dies Szene auf dem Bild als Ausgangspunkt für meine Erzählung dieses "Klassikers der Weltliteratur" zu verwenden ... eine Erzählung, die auch für Kinder ab 8 Jahren ein Erlebnis sein kann ... angelehnt an das Original von Goethe und doch in einer verständlichen Sprache. Und das so manches Zitat daraus auch heute noch verstanden wird ... und nicht nur der berühmte Ausruf an den Hauptmann der Belagerer ;-) ... zeigt dieser Ausschnitt aus dem 3. Akt:

„Hab ich nicht unter den Fürsten treffliche Menschen gekannt, und sollte das Geschlecht ausgestorben sein? Gute Menschen, die in sich und ihren Untertanen glücklich waren; die einen edeln freien Nachbar neben sich leiden konnten und ihn weder fürchteten noch beneideten; denen das Herz aufging, wenn sie viel ihresgleichen bei sich zu Tisch sahen …

Ich erinnere mich zeitlebens, wie der Landgraf von Hanau eine Jagd gab und die Fürsten und Herrn, die zugegen waren, unter freiem Himmel speisten und das Landvolk all herbeilief, sie zu sehen. Das war keine Maskerade, die er sich selbst zu Ehren angestellt hatte. Aber die vollen runden Köpfe der Burschen und Mädel, die roten Backen alle, und die wohlhäbigen Männer und stattlichen Greise, und alles fröhliche Gesichter, und wie sie teilnahmen an der Herrlichkeit ihres Herrn …


Sollten wir nicht hoffen, daß mehr solcher Fürsten auf einmal herrschen können? daß Verehrung des Kaisers, Fried und Freundschaft der Nachbarn und Lieb der Untertanen der kostbarste Familienschatz sein wird, der auf Enkel und Urenkel erbt? Jeder würde das Seinige erhalten und in sich selbst vermehren, statt daß sie jetzo nicht zuzunehmen glauben, wenn sie nicht andere verderben … Das wäre ein Leben! Georg! wenn man seine Haut für die allgemeine Glückseligkeit dransetzte.“

Meine Erzählfassung wird übrigens etwa eine Länge von 45 Minuten haben (so genau lässt sich das bei mir nicht immer sagen, weil ich ja immer anders und publikumsorientiert erzähle). Premiere ist auf dem "Großen Mittelaltermarkt zu Illingen" vom 23.- 25.05.2014.


Am 1. Mai unterwegs auf der Familien-Sagen-Wanderung im Taunus. Ich erzählte von "Eberhard" (meinem Wanderstock, der auf dem Bild zu sehen ist), vom "Sumpfschrat" (was aber die Kleinen nicht vom Patschen in den Pfützen abhielt) und die "Sage vom Fuchstanz".

Und so sah es am 11. Mai (Muttertag) bei mir aus. Ich hatte zu den "1. Treisberger Visematenten" eingeladen ... zum Erzählen in meinem Zelt auf unserem Hof. Leider spielte das Wetter nicht so richtig mit, es war wechselhaft, schauerlich kühl und windig. So räumte ich unsere Garage zur "Märchen-Grotte" um und stellte das Zelt nur als Eingangsbereich davor.

Besonders freute ich mich über den Besuch meiner über 80jährigen Nachbarin, die es sich nicht nehmen ließ, während eines Regenschauers zu kommen. "Nehm' ich den Schirm oder nehm ich den Stock ...?" Das war die Frage, die sie mir lachend erklärte, nachdem sie Platz genommen hatte ... mit Schirm ;-)


(24.04.2014) ... wenn sie von Wollen kommt, würde sie ja Wulst heißen." - Ein Zitat, das verschiedenen Quellen zugeordnet wird. Auch während meiner Ausbildung zur Goldmund-Erzählerin habe ich es vom "Meister" oft gehört und stellte es gedanklich schon damals in Frage.

Als mich dann 3 Jahre später eine angehende Erzählerin fragte, wie genau man erkennt, was "gekonnt" oder nur "gewollt" ist ... es gäbe ja so viele "Bewertungskriterien, die fernab von technischer Finesse sind" ... da antwortete ich dies:

Ja, das ist auch ein Gedanke, der mich immer wieder beschäftigt. Ich glaube, dass es irgendwie ein Verhältnis ist wie "Yin" und "Yan" ... es braucht beides ... mal das eine und mal das andere in stärkerem Maße. Es gibt Menschen, die erarbeiten sich ihr Können im Schweiße ihres Angesichts und durch stetiges Üben. Ich habe die allergrößte Hochachtung vor diesen Menschen. Ich bewundere sie für ihre Ausdauer und ihren Fleiß. Und es gibt andere, die Kunstfertigkeit nicht überwiegend durch diesen "Kampf" erreichen, sondern ganz einfach durch den inneren Glauben, Vertrauen, Liebe und Begeisterung ... sie wollen einfach und das Können stellt sich ganz von allein ein.  

Ich sehe mich häufiger in der zweiten Gruppe. Es hat eine Weile gedauert, bis ich mir das wirklich bewusst gemacht habe. Die Ahnung ist mir während der Goldmund-Ausbildung aufgestiegen, doch wirklich erlebt habe ich es dann während meiner Wanderung im letzten Jahr. Niemals wäre ich früher auf die Idee gekommen, dass ich überhaupt 500 km wandern könnte ... und mich noch früher auch nicht im Traum getraut, dass ich mich allein auf den Weg machen würde. Aber dann WOLLTE ich es unbedingt: als "wandernde Mundwerkerin" zu meiner Kunst als Geschichtenerzählerin finden.


(24.03.2014) Am Wochenende war ich im Norden ... im Land der Windmühlen.
Gemeinsam mit meinen beiden Erzähler-Freundinnen Julia Dörrbecker und Katja Volmar gestalteten wir den "Weltgeschichtentag", dieses Mal in der Windmühle Heimsen (Petershagen). Unser Quartier und freundliche Aufnahme fanden wir im Pfarrhaus des Ortes. Am liebevoll gedeckten Frühstückstisch mit aufgebackenen Brötchen - die übrigens sehr lecker schmeckten und überhaupt nicht zu lange im Ofen waren, wie die Pfarrerin sich entschuldigte - entspann sich ein Gespräch, das mich auch auf der Heimfahrt noch ins Nachdenken brachte.

Jemand meinte, dass es ja auch Bäcker gibt, die Sonntags offen haben und da meinte die Pfarrerin, es würde ihr niemals einfallen, Sonntags Brötchen zu holen. Der Sonntag ist der Tag des Herrn, der Tag der Ruhe, da wird nicht gearbeitet. Da wandte jemand augenzwinkernd ein, dass ja auch die Pfarrer Sonntags arbeiten ... in der Kirche predigen. Und ohne weitere Überlegung, ganz spontan fuhr die Pfarrerin fort: "Das ist ja keine Arbeit, das ist ja eine Feier ... die Arbeit habe ich ja vorher mit dem Entwickeln und Schreiben der Predigt, die Vorbereitung. Und das sieht ja auch meistens keiner ... die eigentliche Arbeit findet ja hier statt, im Pfarrhaus."

Und ganz genau so ist es mit uns Erzählerinnen und auch anderen Künstlern: Wieviel Arbeit dahinter steckt, das sehen die meisten nicht. Sie sind nicht dabei, wenn wir zu Hause Bücher auf der Suche nach neuen Geschichten wälzen, wenn wir anderen Erzählern zuhören, um nicht aufgeschriebene Geschichten weiter zu tragen (wie das Erzähler schon immer gemacht haben) ...  wenn wir sie in Gedanken oder schriftlich für unsere ganz eigene Vortragsweise bearbeiten, wenn wir ein Erzählprogramm erarbeiten, Requisiten besorgen, Plakate gestalten, Gespräche mit Veranstaltern führen ... wenn wir unsere Buchhaltung erledigen, von Auftritt zu Auftritt fahren, Erzähl-Zelte auf Märkten aufbauen ... und, und, und - all das ist in dem Moment, wenn wir auf der Bühne stehen, nicht sichtbar.

Zwei Gedanken-Gänge habe ich aus diesem Gespräch gezogen:
Der erste kam mir sofort im Gespräch. Es ist wichtig, dass wir unserem Publikum eben auch von unserer Arbeit erzählen, wo immer es sich ergibt ... dass wir sie teilhaben lassen an dem, was unsere Geschichten so wertvoll macht. Es ist "gekonntes Erzählen" (das waren die sehr lobenden Worte der Pfarrerin in der Veranstaltungspause, als sie sich mit mir unterhielt ... und ein großes Lob aus berufenen Munde!). Und genau deshalb plaudere ich hier immer wieder "aus meinem Nähkästchen", deshalb lassen wir in die Moderation unserer Veranstaltungen auch immer wieder Geschichten über das Erzählen einfließen (viele Leute denken immer noch, wir lesen vor oder lernen auswendig) Und ich habe auch keine Angst davor, hin und wieder eine Geschichte in meiner Erzählversion schriftlich zu veröffentlichen. Eine Zuhörerin, die mich am Samstag erstmalig live erlebte, gab mir das schönste Feedback: "Deine Geschichten kommen so genauso rüber, wie ich sie im Internet gelesen habe ... mit genau derselben Stimme ... so lebendig!"

Und als ich dann während der Rückfahrt auf der Autobahn so an diese "Weltgeschichtentags-Aufführungen" (wir hatten ja zwei ... am Nachmittag für Kinder und abends für Erwachsene) dachte, da kam mir in den Sinn: Ja, eigentlich sind unsere Auftritte ja Feiern ... aus der Freude heraus über unsere gelungene Arbeit. Und da ist es völlig egal, ob der Saal bis auf den letzten Platz besetzt ist oder ob sich ein kleines Häufchen von zwei Händen voll Menschen um die Tische verteilt hat. Es wird gefeiert und es wird nicht weniger ausgeschüttet oder früher Schluss gemacht, wenn weniger Publikum da sitzt. Wir feiern die Feste wie sie fallen ;-)

Und dieser Gedanke gab dann meiner Seele den Sonntag und dem Sonntag eine Seele!


(06.02.2014) Vorige Woche war ich im Kindergarten "Am Schlappmühler Pfad" in Usingen zu Gast. An zwei Tagen durfte ich in den unterschiedlichen Altersgruppen ein besonderes Projekt mit meinen Geschichten eröffnen. Heute berichtet die Taunuszeitung: Kinder bereiten sich auf das Projekt "Faustlos" vor

Es war ein ganz besonderes Erlebnis, wie Ihr sicherlich auch an den Gesichtern der Kinder und Erwachsenen auf dem Foto erkennen könnt. Bereits im Vorfeld hatte ich alles mit der Leiterin Carla von Strassen genauestens abgesprochen. Es sollten für die alteren Kinder auf jeden Fall Geschichten sein, die Gefühle ausdrücken ... für die "kleinen Zwerge" am zweiten Tag kam es ihr vor allem darauf an, dass sie viel Spaß an den Erzählungen haben.

Bereits beim Betreten des Kindergartens am ersten Tag fiel mir auf, dass im Eingang ein großes Flipchart stand, auf dem die Eltern über diese Veranstaltungen informiert wurden. Der Raum war schön hergerichtet mit Decken, Matten, Kuschelkisssen und Deko. Die Beleuchtung zauberhaft und gemütlich. Ich wurde freundlich begrüßt und durfte erst einmal in Ruhe "ankommen".

Die Kinder warteten in dieser Zeit gespannt und aufgeregt vor der Tür. Dann hörte ich die Erzieherinnen mit ihnen ein Auftaktlied singen, in dem auch mein Name vorkam und schließlich strömten 50 - 60 kleine Geister herein. Für die größeren Kinder hatte ich mir die Geschichte vom "wilden Wildschwein-Jungen Utz" ausgesucht, die ich mit dem Kamishibai (Erzähltheater) vortrug. Ich erzählte auch, dass die Bilder dazu von einer angehenden Kindergärtnerin einst gemalt und mir geschenkt wurden. Mit großen Augen verfolgten die Kinder die Erlebnisse des "halbstarken" Wildschwein-Kindes, das andere immer mit seinen kleinen Hauern und bösen Worten verletzt ... und wie es lernte, seine Wut zu zügeln. Und immer wieder beteiligten sie sich auch mit eigenen Erfahrungen (Wie gehe meine Geschwister und ich miteinander um? Wem klage ich mein Leid, wenn ich geärgert worden bin ... der Mama!)

Anschließend war es auch noch mucksmäuschenstill, als ich das Märchen vom "Froschkönig" frei erzählte. Und zum Schluss bekam ich von den Kindern ein Dankeschön ... ein Lied, das sie mir sangen, in dem ich dann lernte, dass Frösche nicht quaken, sondern "Bäh" machen ;-)

Welche Überraschung, als ich am zweiten Tag kam: An dem Flip-Chart hingen schon Fotos vom Vortag ... ach, war das eine Freude, die Momentaufnahmen zu sehen. Ein Junge hatte sich eines der Kuschelkissen in den Arm genommen und drückte sich mit geschlossenen Augen und ganz verzücktem Gesicht daran. Für die kleinen Kinder hatte ich die "Schnee-See-Klee-Reh-Fee" als Geschichte mit Hand- und Fingerpuppen ausgesucht ... ein Märchen mit vielen Reimwörtern und auch hier gab es eine zweite kleine Geschichte ... etwa 15 - 20 Minuten hatte ich die fast ungeteilte Aufmerksamkeit (für 2 - 3jährige ein ganz beachtlicher Erfolg) und mir ging das Herz ganz weit auf!


(17.01.2014) In dieser Woche erhielt ich eine Anfrage von der VHS Hochtaunus, ob ich den jährlichen Empfang für die Dozenten mit meinen Erzählungen im Programm bereichern könnte. Ich schlug dazu vor, Geschichten über das Erzählen selbst vorzutragen ... und wie es das Leben erleichtern kann. Im Gespräch mit dem Verantwortlichen kamen wir dann dazu, dass es "Weisheiten" sein könnten, die den Dozenten Impulse für ihre eigene Arbeit geben. Ich wurde darum gebeten, Vorschläge für einen kurzen Programm-Text zu machen.

Nun musste ich mir dazu erst einmal genau überlegen, welche Erzählungen genau dafür in Frage kommen. Ich habe also mein Repertoire nach möglichen kurzen Weisheitsgeschichten durchsucht ... und wie ich so über meine danach getroffene Auswahl nachdachte, kam mir in den Sinn, dass alle Geschichten etwas mit mir persönlich zu tun haben ... mit dem, was ich früher als Ausbilderin, Trainerin und Beraterin erlebt habe. Und mir fiel ein, dass es mir immer dann besonders gut gelingt, die Zuhörer "in meinen Bann zu ziehen", wenn ich diese persönlichen Erlebnisse mit einbeziehe, wenn sie sehen, dass das eben keine "erfundenen Märchen" sind, sondern "Wahrheiten" sind.

Deshalb gab ich also den Vorschlag weiter, diese kurze Weisheiten, die alle etwa eine Länge von 2 - 5 Minuten haben, mit einer Rahmenhandlung zu umgeben, in der ich die Geschichten realen Erlebnissen zuordne. Insgesamt wird dieses "Mini-Erzählprogramm" etwa 20 - 25 Minuten dauern. Und mein Vorschlag zur Ankündigung war dann dieser:

"Wenn die Weisheit ankommen will, nimmt sie sich die Geschichte als Reisebegleitung. - Aus dem Tagebuch einer Erzählerin."

Und deshalb steht der Satz nun oben auf dieser Seite ... er gefällt mir besser als der vorherige ... er entspricht mehr meinem Wesen des "unterwegs seins".


"Wenn ich mit Menschen- und Engelszungen redete,
hätte aber die Liebe nicht,
wäre ich nur ein tönendes Erz
und eine klingende Schelle.

Und wenn ich prophetisch reden könnte
und alle Geheimnisse wüsste
und allen Glauben hätte,
um Berge zu versetzen,
hätte aber die Liebe nicht,
wäre ich nichts."

(Korinther 13,1)                   Mit Klick auf das Bild öffnet sich mein Video-Neujahrsgruß!