Am 19. und 20. März 2016 fand im Naturpark Hotel Weilquelle in Schmitten das 1.
Taunus-Erzähl-Festival statt. Die Erzählerinnen Julia Dörrbecker, Katja Volmar, Michaele Scherenberg und Walburga Kliem gestalteten am Samstagabend ein Programm, welches die Zuhörer begeisterte. Am Sonntag gab es einen bunten Familien-Erzähl-Nachmittag im Hotel und auf einer Sagen-Wanderung im Taunuswald. (Foto mit Marco Kattwinkel, Geschäftsführer des Hotels) Presseveröffentlichung "Usinger Anzeiger" 21.03.2016 Presseveröffentlichung "Taunus-Zeitung" 05.04.2016
Über den Termin des 2. Taunus-Erzähl-Festivals im Jahr 2017 werden wir hier rechtzeitig informieren!
Es folgen einige weitere Aufnahmen, die mir freundlicherweise von einer Zuhörerin zur Verfügung gestellt wurden:
Michaele Scherenberg führte mit ganz besonderem Charme und Witz durch das Programm und beendete die Abend- veranstaltung mit einer außer- gewöhnlich schönen Gute-Nacht-Geschichte aus Graubünden.
Katja Volmar ließ für die Zuhörer eine Schule in England vor nicht allzulanger Zeit entstehen ... eine Schule, in der Kinder "aus aller Herren Länder" gingen, weil zu damaliger Zeit in London wohl viele Arbeitskräfte gebraucht wurden. Und alles, was insbesondere John in dieser Schule wollte, war etwas zu lernen ... und dass allem Gerechtigkeit geschieht.
Julia Dörrbecker verzauberte in ihrer Erzählung mit dem Lächeln einer jungen Frau, dem Stolz eines Mannes und lud gleichzeitig dazu ein, nebenbei verschiedene Sehenswürdig- keiten ihrer Heimatstadt kennenzulernen.
... und ich war nicht nur sehr, sehr dankbar für diese wundervolle Premiere des Festivals. In meiner Geschichte entstand vor dem Hintergrund des mittelalterlichen Florenz ein Garten, in dem sich 10 junge Menschenkinder 10 Tage lang Geschichten erzählen, u. a. eine, in der "ein frecher Spatz mit dem Scharfsinn eines Falken an sein Ziel gelangt".
Und noch einige Fotos vom Sonntag:
Dekoration im Foyer
"Marie, die Erzählerin" (Katja Volmar) mit ihrem selbstgebauten Kamishibai. Sie ist im Raum Hannover zu Hause und fasziniert mit ihrem Ideen-Reichtum, was Requisiten betrifft.
Julia Dörrbecker aus Kassel ist eine begnadete Handpuppen-Erzählerin. Ob zusammen mit "Frau Huhn" oder dem gefräßigen Pelikan, die Zuhörer hatten ihren Spaß.
... ist eine Geschichte, die deutlich macht, welchen Wert nicht nur unsere Erzählkunst hat:
Es war einmal ein Kaiser, der gedachte, seinen Prunksaal mit den
herrlichsten Tuschezeichnungen zu schmücken. So schickte er im ganzen
Land seine Botschafter aus, die besten Künstler zu finden. Viele
erschienen vor seinem Thron. Sie schilderten ihre Arbeit in den höchsten
Tönen, zeigten einige ihrer Kunstwerke als Beweis und erzählten
Geschichten darüber, in welchen hochangesehen
Häusern sie zu bewundern seien. Jeder war bestrebt, ein gutes Bild von
sich zu geben, denn ein Auftrag zur Gestaltung des kaiserlichen Palastes
war es ihnen wert.
Schließlich hatte sich der Kaiser für einen
der Künstler entschieden und sprach zu ihm: "Zeichne mir einen Hahn,
einen Hahn wie ihn noch niemals jemand auf einer Tuschezeichnung gesehen
hat. Ich muss den schönsten Hahn in meiner Sammlung besitzen, denn ich
mag Hähne ganz besonders." Der Künstler verneigte sich und versprach es.
Nach drei Monaten erinnerte sich der Kaiser und fragte: "Wo ist mein
Hahn? Hat sich der Künstler noch nicht gemeldet? Wer hat etwas gehört
von ihm?" Niemand wusste etwas. "Wo lebt dieser Mann eigentlich? Ich
will selbst gehen und mich vergewissern, will sehen, was er macht ...
und wenn er mir nicht auf der Stelle den Hahn zeichnet, so ist er des
Todes."
So ließ sich der Kaiser in Begleitung seiner engsten Vertrauten zu dem Künstler nach Hause tragen.
"Wo ist die Tuschezeichnung, die ich in Auftrag gab? Einen Hahn
solltest du mir zeichnen, denn ich liebe Hähne." Die Verärgerung war dem
Kaiser ins Gesicht geschrieben.
Der Meister nahm ein großes
Blatt und zeichnete in wenigen Augenblicken einen wunderschönen Hahn,
einen prächtigen Hahn, würdig eines Kaisers. Der Gesichtsausdruck des
Kaisers verwandelte sich zusehens, in dem gleichen Maße wie das Bild
entstand. Er war entzückt, begeistert und überglücklich. Doch über den
Preis, den der Meister nannte, war er erschrocken: "In wenigen
Augenblicken zeichnest du mühelos einen Hahn und willst so viel Geld
haben?"
Da nahm der Künstler ihn mit und führte ihn durch sein
Haus. In allen Räumen, sogar im Schlafgemach, lagen große Papierhaufen
mit Zeichnungen und auf allen Blättern waren Hähne. "Seht Ihr, großer
Kaiser! Was Euch so mühelos und einfach erscheint, das hat mich viel
gekostet. Drei Monate habe ich gebraucht, um Euch in wenigen
Augenblicken den prächtigsten Hahn für Euern Palast zu zeichnen. Ich
denke, der Preis ist gerecht!"
Und dann passierte etwas, was ganz selten ist ... was jedoch auch heute noch wahr werden kann: Der Kaiser dachte nach ... und er verstand!