Wenn unser Herz daran hängt, dann können wir alles erreichen.
Jedes Feuer ... beginnt mit einem kleinen Funken.
Jeder Ozean ... entsteht aus einem kleinen Tropfen.
Jede noch so große Reise ... beginnt mit einem ersten Schritt ... im Kopf!
Das Scherenschnitt-Bild von mir ist ein Geschenk von Vicky Knauer. Sie fertigte es nach einem Foto an, welches ein Reporter der "Märkischen Allgemeinen Zeitung" auf der Wanderung direkt an einer Straße im Fläming machte. Das Foto selbst findet Ihr am Ende dieser Seite.
Ein Eschbacher Handwerker wird auf dem Weg zur Frankfurter Messe von den
Werbern des Soldatenkönigs Friedrich Wilhelm I an der Lochmühle betäubt
und nach Potsdam verschleppt, um dort ein "Langer Kerl" zu werden. "...
sie kauften nicht nur seine Waren, sondern nahmen ihn gleich selbst mit
..."
Ein kleiner Absatz im Buch "Geschichten aus dem Usinger Land", mit dem obigen Inhalt machte mich im Jahr 2008
neugierig. Ich befand mich in meiner Ausbildung zur
"Goldmund-Erzählerin" und war auf der Suche nach einer Geschichte, die
ich zu meiner Zertifizierung erzählen könnte. Doch leider: So viel ich
auch herum fragte, niemand konnte mir Genaueres zu dieser Sage erzählen
...
Anfang 2009 (Inzwischen hatte ich meine
Erzählausbildung mit einer anderen Geschichte beendet) wurde ich von
zwei verschiedenen Seiten auf die "Eschbacher
Bauernspiele" hingewiesen. Dort haben vor und nach dem 2. Weltkrieg die
Dorfbewohner Theater im Freien gespielt ... an den Eschbacher Klippen.
Und 1947 hätte ein Volksstück auf dem Programm gestanden, das den Namen
"Der lange Strumpfstricker von Eschbach" trägt. Ein Mitglied des
Burgvereins Reifenberg gab mir auch den Tipp, dass es da einen uralten
Roman gäbe, welcher "Der lange Becker" heißt.
Ich sprach also
mit Zeitzeugen - unter anderem unserem Dorfschmied Eugen Henrizi, der
mir sagte: "Ja, ich war damals dabei!" - "Wie, du hast da mitgespielt?" -
"Nein, wir sind immer bei den Vorstellungen gewesen. Das war immer
voll. Und viele sind dorthin gelaufen." - Es war für mich beeindruckend,
dass die Menschen damals neben der harten Arbeit auch noch Zeit
gefunden haben, Theater-Stücke zu organisieren und zu proben.
... und ich fand dann schließlich den Roman im Internet bei einem
Antiquariat in der Nähe von Rheinsberg. Da er in altdeutscher Schrift
geschrieben war, konnte mir der Verkäufer nichts über den Inhalt sagen.
Allerdings überzeugte mich die Abbildung eines preußischen Soldaten auf
dem Einband. Und als ich das Buch gelesen hatte, gab es kein Halten für
mich mehr ...
Dies ist also der Roman, geschrieben von Maria Melchers, erschienen 1941 im Kurt Schroeder Verlag Wiesbaden. Mit viel Liebe zum Detail für die Beschreibung des Usinger Landes hat die Autorin das Schicksal des "Langen Strumpfwirkers aus Eschbach" und seiner Familie beschrieben. Diesem Roman könnt Ihr von mir als Fortsetzungs-Hörbuch auf meiner Soundcloud lauschen. Dazu einfach auf das Bild hier klicken!
Und dies ist eine kurze erzählerische Einleitung, wie ich sie gerne verwende:
Es lebte einmal ein König in Preußen, der residierte in einer großen Stadt und dieser König liebte seine Soldaten gar sehr. Deshalb nannten ihn alle auch nur den "Soldaten-König". Es war nicht so, dass er sie in den Krieg schickte. Nein, er schätzte den Glanz und die Macht, die von seinen Heeren ausgingen. Es bereitete ihm schon große Freude, sie in ihren schmucken Uniformen marschieren zu sehen ...
Besonders liebte dieser König seine Leibgarde, die "Langen Kerls". Das waren Männer, die mindestens 1,88 m groß waren - für die damalige Zeit eine abnormale Größe. Der König selbst soll jeden seiner Grenadiere selbst nachgemessen haben. Mit ihren überhohen Mützen waren sie für den Krieg gar nicht einsetzbar. Sie beeindruckten jedoch sehr beim Exerzieren.
Hohe Belohnungen setzte der König darauf aus, wenn ihm jemand solche Soldaten zuführte. Dem russischen Zaren soll er für einen "Langen Kerl" 7000 Gold-Taler gezahlt haben.
Und da er seine Soldaten gut entlohnte, sie ehrenvoll behandelte - ja besser behandelte als seinen eigenen Sohn - da war der Militär-Stand in seinem Land auch hoch angesehen.
Ganz anders allerdings war es jedoch im "Nassauischen". Wer sich dort den Soldaten-Rock anziehen ließ, der hatte sich entweder betrunken machen lassen, war in seinem Ort einer Missetat bezichtigt oder hatte vielleicht ein garstig Weib zu Hause ;-) Es galt vor allem dem Volk auf dem Lande als Schande.
Zu dieser Zeit lebte im Dörfchen Eschbach bei Usingen ein junger Mann mit seiner Frau. Er war ein Strumpfstricker oder Strumpfwirker, 25 Jahre alt und doch schon hoch angesehen im Dorf. Zweimal im Jahr machte er sich auf die Wanderschaft in die große Stadt Frankfurt zur Messe auf, um dort seine gewebten Strümpfe und Gamaschen zu verkaufen. Doch dies war für ihn immer mit Gefahren verbunden, denn ...
er war ein stattlicher junger Mann mit einer Größe von 6 Fuß, 3 Zoll = 1,96 m. Schon mehrmals war er nur mit Geschicklichkeit und knapper Not den Werbern des Soldatenkönigs entkommen. Als nun aber seine Frau das erste Kind bekam, machte sie sich verständlicherweise mehr Sorgen, wenn ihr Mann unterwegs war. Und eigentlich sollte es sein letzter eigener Gang nach Frankfurt werden ... eigentlich nur bis zur "Lochmühle", denn dort wollte er seine Waren künftig einem Aufkäufer/Händler mitgeben. Doch von dieser Wanderung kehrte er nicht zurück.
Vergebens wartete seine Frau und sorgte sich vor allem seine Schwester, welche die Frau des Verwalters des Junkernhofes in Usingen war ...
Fast ein
halbes Jahr, nachdem der Strumpfstricker Wolf Becker in Richtung
Frankfurt zur Frühjahrsmesse aufgebrochen ist, erreicht seine inzwischen
verzweifelte Frau ein versiegelter Brief aus Potsdam. Darin liest sie
nun, dass ihr Mann nun gegen seinen Willen Leibgardist des Preußenkönigs wäre. Seine Frau müsse
"darüber nicht schamhaft das Haupt senken", er habe nach vielen Wochen
bemerkt, dass es eine Ehre sei, in Preußen die Uniform zu tragen (würde
doch selbst der König alle Tage in dem Rock laufen) und er sähe es als
Gottes Prüfung an, die 8 Jahre Dienst zu versehen. Nur manchmal wünschte
er sich, seine Frau bei sich zu haben ...
... er könne es
nicht verlangen und würde die Entscheidung, egal wie, ihr überlassen.
Vor allem könne sie ja die weite Reise nicht dem kleinen Söhnchen
zumuten (gerade ein knappes Jahr alt). Doch sie könne dies ja seiner
Schwester in die Obhut geben, die gerade ihren eigenen Sohn bei einem
schrecklichen Unfall verloren hätte. Es würde ihrem Leid auch Heilung
bringen.
Jeannette Becker hat nach diesem Brief nicht lange
gezögert. Sie war eine gütige und gleichzeitig entschlossene Frau. Um
ihre Wanderschaft (denn eine Reise mit Kutsche konnte sie sich nicht
leisten) möglichst schnell antreten zu können, soll sie sogar persönlich
bei der Landesfürstin vorgesprochen haben, damit ihr die erforderlichen
Reisepapiere schnell ausgestellt werden.
"Am neunzehnten Tage
des Oktobris, so man den Ferdinandentag heißt, bin ich mit Sonnenaufgang
aus unserem Hause in Eschbach aufgebrochen." (Zitat aus dem Roman "Der lange Becker")
Als ich
diesen Teil der Geschichte las, da war mir klar, dass ich nicht nur vom
"Langen Strumpfstricker aus Eschbach", sondern auch von seiner Frau
erzählen werde. Und damit ich es wirklich authentisch erzählen kann,
MUSS ich den Weg der "Beckerin" nachgehen ... ich MUSS erleben, wie eine
Frau sich vor 300 Jahren gefühlt hat, die ihr Kind zurücklässt (mein
eigener Sohn war damals 7 Jahre alt), um ihrer Liebe zu folgen.
Die Idee meiner "Geschichtenwanderung" war geboren.
Foto: Aufführung der Eschbacher Bauernspiele 1947
Im Mai 2009 setzte ich mir also das Ziel: Ein Jahr würde ich brauchen, um mich vorzubereiten. Ich würde die Strecke auswählen, in Etappen einteilen und dann sehen, wo ich unterwegs nicht nur übernachten, sondern auch erzählen kann ... denn das sollte es werden, eine Wanderung, auf der ich andere mit meinen Geschichten beschenke und gleichzeitig neue Geschichten sammle ... so wie es früher üblich war. Und das Jahr brauchte ich auch, um zu trainieren ... denn schließlich war ich nicht gerade geübt im Langstrecken-Wandern.
Hier also einige Meilensteine der Vorbereitung:
Foto: An den Eschbacher Klippen während der Vorbereitung meiner Wanderung im Herbst 2009
08.06.2009 Ich lege den Zeitraum fest. Die Reise wird etwa 3 - 4 Wochen in Anspruch nehmen. Ich möchte weder im Winter noch im Hochsommer wandern. Ich konzentriere mich auf einen Termin im Mai/Juni 2010 (mit Start Himmelfahrt oder alternativ 01. Mai). Ich mache meinen Entschluss öffentlich.
10.06.2009 Die ersten Unterstützungsmeldungen von Freunden treffen ein - Zuspruch erreicht mich per Mail. Ich nehme mir eine Landkarte und überlege mir, wo eine Frau vor 300 Jahren lang gelaufen sein kann. Ich entwerfe erste Varianten für die Strecke.
19.06.2009 Ich entdecke bei meinen Vorbereitungen - insbesondere beim Training - dass Ausdauer zu meinen absoluten Stärken gehört ... und auch, dass ich mit meinem Projekt meine Schwäche, alles sofort und perfekt zu machen, sicher überwinden werde.
04.08.2009 Ich habe in den Sommermonaten einige erste Erfahrungen mit dem Durchführen von Erzählveranstaltungen gesammelt. Auf Mittelalter-Märkten bin ich jetzt mit meinem eigenen Zelt unterwegs. Außerdem habe ich mir richtige Wanderschuhe gekauft und bin sehr zufrieden damit.
14.08.2009 Eine Reiseerlaubnis vom Landesfürsten, so wie es vor 300 Jahren noch notwendig war, brauche ich ja nicht. Doch so ein amtliches Dokument kann vielleicht sehr nützlich sein. Ich bitte unseren Bürgermeister um ein Empfehlungsschreiben, es wird mir gewährt. Zusammen mit Lebenslauf und Bewerbungsschreiben kommt es in eine Mappe, die ich in 30facher Ausführung anfertige. Diese werde ich an die Städte und Gemeinden, Tourismusbüros und ggf. andere geeignete Organisationen der geplanten Etappen-Orte versenden.
17.09.2009 Erste Antworten auf meine Bewerbungsmappen treffen ein. Von der Tourist-Information Eschwege - Meißner - Meinhard - Wanfried empfiehlt man mir die dortige Märchenerzählerin Ute Baden, von der ich auch gleich eine Mail erhalte. Es entwickelt sich eine dauerhafte Erzählerinnen-Freundschaft. Die Stadt Waldkappel verweist mich an das dortige "Bündnis für Familie".
06.10.2009 Nachdem ich die erste geplante Etappe an mehreren Tagen in kleineren Abschnitten abgelaufen bin (hab mein Auto immer auf einem Parkplatz abgestellt, bin so etwa 5 km gelaufen und dann über einen anderen Weg wieder zurück), entschließe ich mich, gleich zu Anfang eine zusätzliche Etappe einzuplanen. Mehr als 25 - 26 km sollen es pro Tag nicht mehr werden. Einige Tage später laufe ich fast die komplette 1. Etappe (bis zu den Eschbacher Klippen sind es ca. 16 km)
09.11.2009 Die Stadt Eisleben hatte auf meine Bewerbung geantwortet und lädt mich zu "Luthers Geburtstag" mit meinem Erzähler-Zelt ein. Es wird eine schöne Veranstaltung.
20.11.2009 In der "Taunuszeitung" erscheint ein ausführlicher Vorbericht. Ich fühle mich im Interview noch etwas unsicher ... so vor der Presse im freien Erzählen ... und dann die Fotos ... ich mag es nicht, gestellt fotografiert zu werden.
06.12.2009 Noch 150 Tage. Ich lege mir ein Maßband zu, von dem ich jeden Tag einen Zentimeter abschneide. Auf meine Bewerbungsmappen sind KEINE weiteren Antworten gekommen. 3 von 30 - keine große Ausbeute :-( Eine Mappe kommt unzustellbar zurück, ist aber offensichtlich doch geöffnet worden ...
08.01.2010 Ich möchte ja in mittelalterlicher Gewandung unterwegs sein. Dazu passt natürlich am besten eine Kiepe. Diesen Gedanken habe ich dann doch gestrichen. Ist einfach für die Strecke zu schwer und zu unbequem. Also kaufe ich mir günstig bei ebay einen Trekking-Rucksack.
19.01.2010 Über ein Internet-Netzwerk bekomme ich einige wertvolle Hinweise und Übernachtungsempfehlungen. Ich fange an, für die Orte, an denen ich keine privaten Übernachtungsmöglichkeit habe, Hotel- und Pensionsbuchungen vorzunehmen.
30.01.2010 Der lange, heftige Winter bremst mich in meinem Training. Laufen im Tiefschnee ist einfach nicht wirklich toll. Also weiche ich auf Schneeschippen und "Stubenfahrrad" aus.
10.03.2010 Ich erhalte einen lieben Brief aus Eschbach. Margot Becker schickt ihn mir mit Dokumenten zur Legende um den "Langen Strumpfstricker". Es sind Bilder von den Aufführungen an den Eschbacher Klippen vor über 60 Jahren, verschiedene Varianten der Erzählung und auch das Bild eines Gardisten. Letzteres stammt aus einem Werbeblättchen der Wurstfabrik "Herta-AG". Die Firma machte damit vor Zeiten Werbung für eine ihrer Würstchensorten, eben den "Langen Kerls".
31.03.2010 Ich hole mir das OK von meinem Hausarzt und die erste Etappe mit allen zeitlichen Zwischenstationen wird öffentlich gemacht. Am Etappenziel in Butzbach-Ostheim ist eine Veranstaltung geplant.
16.04.2010 Ich freue mich, dass ... ... mein Wollumhang so praktisch für die Wanderung ist und hab ihn auch schon regenerprobt. ... meine neuen Erzähler-Visitenkarten von www.diedruckerei.de gekommen sind. ... meine Übernachtung auf der ersten Etappe kostenlos sein wird. Eine Pensions-Wirtin mich zu sich ins Haus eingeladen! DANKE! ... ich in Mücke nicht alleine erzählen werde! Eine frischgebackene bayrische Goldmund-Erzählerin - Bettina Hackelsperger - wird auf ihrer Harley ins Hessenland kommen. Ich bin schon ganz kribbelig! ... Connie Albers und Dagmar Weyerhäuser haben sich für die Etappe nach Coswig angekündigt. Hotel ist gebucht ... O-Ton Dagmar: "Jetzt hast Du uns auf dem Hals." ;-)
21.04.2010 Im Usinger Anzeiger erscheint ein ausführlicher Vorbericht. Inzwischen bin ich schon lockerer beim Interview und Foto-Termin mit Rucksack ... das sieht man dem Foto auch an.
24.04.2010 Noch 11 Tage und die Befestigung meiner Schaffell-Tasche mit dem Kamishibai am Rucksack bereitet mir etwas Kopfzerbrechen. Doch ich möchte das Tischtheater unbedingt mitnehmen. Die Tasche über die Schulter zu hängen, behindert mich zu sehr beim Laufen. Nun hoffe ich sehr, dass die Verschnürung mit Hilfe eines Gürtels hält.
Doch es gibt auch etwas sehr, sehr Erfreuliches: Frau Lepper vom Hotel "Zum Stern" in Oberaula lädt mich zu einer kostenlosen Übernachtung - auch ohne fest verabredete Veranstaltung - in ihrem Hause ein. Ich bin wieder einmal so begeistert und sicher werde ich erzählen ... spontan!
03.05.2010 Am vergangenen Freitag bin ich also los und habe mal getestet, ob ich 30 km am Stück und mit vollem Wandergepäck laufen kann. Ich hatte Glück - das Wetter war genau richtig. Es war nicht zu warm und sonnig. Auf den Höhen wehte ein kräftiger Wind, gegen den ich mich manchmal ganz schön stemmen musste. Aber es lief alles ausgezeichnet.
Ich war unterwegs zu den "Freienfelser Ritterspielen". Heute wurde ich dort im Kreise meiner Mittelalterfreunde offiziell auf meine Wanderschaft verabschiedet. Dankbar verneige ich mich für die vielen Glück- und Segenswünsche, die ich erhalten habe. Sie werden mich begleiten und tragen.
Am 05.05.2010 bin ich dann zu meiner Geschichtenwanderung 2010 aufgebrochen. Viel kann ich dazu erzählen ... einen kleinen Einblick gibt dieser Download:
Am 06.06.2010 kam ich wohlbehalten in Potsdam auf dem Alten Markt an. An der Speicherstadt Potsdam (hier hat mein Opa früher gearbeitet und ich durfte als 5 - 6jährige manchmal dabei sein) waren mir Bernd und Richard entgegen gekommen. Gemeinsam gehen wir auf die Nikolai-Kirche zu. Ich fühle mich auf einmal sehr ergriffen ... und kann gar nicht glauben, dass ich es jetzt wirklich und wahrhaftig geschafft habe. Eine Frau kommt auf uns zu ... Presse? Nein, sie stellt sich mir als "Gartenresie von den MPlern" vor (ein Internet-Forum, in dem schon seit Jahren gelegentlich schreibe und in dem meine Wanderung schon die ganze Zeit verfolgt wurde). Sie ist extra aus Hamburg gekommen, um mich im Namen aller zu begrüßen!!! Ich kann es gar nicht fassen ... eine Frau, die ich noch niemals gesehen und mit der ich mich bis jetzt jedenfalls auch noch nicht viel online unterhalten habe, fährt mit ihrem Mann 5 Stunden nach Potsdam, um mich zu empfangen ...
Wir gehen in die Kirche. Ich habe das drängende Bedürfnis, "Danke!" zu sagen. "Der Herr hat Gnade gegeben zu meiner Reise." - Das waren die Worte der Beckerin, als sie in Potsdam ankam. Ja, so ist es. Und ich bin froh darüber, dass keine Presse da ist und kein "großer Bahnhof" veranstaltet wird. So kann ich diesen Moment wirklich für mich erleben!
Nach meiner Wanderung erhielt ich noch einmal Post von Margot Becker aus Eschbach. Neben einigen Original-Fotos von unserem Treffen auf meiner ersten Etappe an den Eschbacher Klippen hat sie mir folgende Daten aus dem Familienbuch der Kirchengemeinde Eschbach geschickt, die sich auf der Seite 122 unter Nr. 284 finden:
Becker, Johann Anton, Quartiermeister Tauftag: 26.09.1700 wurde 1727 von Preußischen Werbern nach Potsdam verschleppt verheiratet mit Körner, Anna Katharina Tauftag: 03.12.1705 Trauung: 14.11.1724
Kinder: 1. Johann Anton, geb. 12.08.1726 2. Maria Katharina, geb. 09.01.1736 Ort unbekannt /Potsdam ?
Zur Tochter ist noch vermerkt, dass sie in Usingen 1761 geheiratet hat (ist also in die Heimat ihrer Eltern zurück gekommen) und auch dort 1814 verstorben ist.
Der 1726 geborene Sohn der Beckers ist in Eschbach geblieben und hatte laut Familienbuch 6 Kinder, verstorben ist er 1767.
Diese Daten stimmen fast vollständig (bis auf das Geburtsjahr der Tochter) mit den Schilderungen im Roman "Der lange Becker" überein. Auch wenn dort die Frau innerhalb der Handlung "Jeannette Beckerin" und die Tochter als "Charlotte" genannt werden. Auf Seite 222 des Romans gibt die Autorin (die sich also auch offensichtlich in den Kirchenbüchern von Eschbach kundig gemacht hatte) eine Erklärung darfür:
"Es geht um mein Kind, oder richtiger gesprochen um seinen Namen. In den letzten Tagen ist mir aufgegangen, dass die Kleine in der Taufe Maria Katharina genannt wurde, während die Mutter sie Charlotte heißen wollte. Das mag in Euren Augen keinen großen Unterschied machen, mich aber drückt es, dass ich so wenig auf meines Weibes letzten Willen geachtet habe. Lässt sich das nachholen?"
So fragt der Becker einen Geistlichen. Der das allerdings verneint: "Bliebe nur der Ausweg, dass ihr im Privatgebrauch den Wahlnamen benützt. Das kann Euch keiner wehren."
Darauf antwortet der Becker: "Das ergäbe den gleichen Fall wie bei ihrer Mutter, die laut Kirchenbuch Anna Katharina hieß und Jeannette gerufen ward."
Als ich die Idee zu dieser Wanderung hatte, da war mein Ziel: Wenn ich in Potsdam ankomme, dann werde ich 550 km "auf Schusters Rappen" hinter mir haben. Das wird eine Leistung sein, die ich bis zu diesem Zeitpunkt nicht für möglich gehalten habe. Ich werde erleben, wie eine Frau sich fühlt, die alleine auf sich gestellt ist. Am Ende werde ich wissen, was ich mit Liebe, Leidenschaft und Begeisterung erreichen kann - wie weit ich für die Liebe und mit ihr im Herzen gehen würde ...
Heute weiß ich: Ich würde wirklich sehr, sehr weit gehen!